Weitere Stimmen für den Frieden im Nahen Osten

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Liebe Friedensinteressierte, am vergangenen Samstag, 14.10.2023, habe ich in meiner Aussendung auf die folgende Pressemitteilung hingewiesen:

https://www.btselem.org/press_releases/human_rights_organizations_raise_a_loud_and_clear_voice_against_the_harming_of_all_innocent_civilians

Menschenrechtsorganisationen erheben laut und deutlich ihre Stimme gegen das Leid aller unschuldigen Zivilisten

(…)

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Wer am Wochenende diese Pressemitteilung eventuell übersehen hat:

Ich wünsche dieser Mitteilung eine weite Verbreitung - und dass sie gehört und umgesetzt wird.

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In der ARD-Monitor-Sendung vom 12.10.2023 möchte ich heute auf die Botschaft von Yaakov Argamani hinweisen, dessen Tochter von der Hamas am 7.10.2023 verschleppt wurde (Min.1.16 bis 2.45):

https://www.ardmediathek.de/video/monitor/monitor-vom-12-10-2023/das-erste/Y3JpZDovL3dkci5kZS9CZWl0cmFnLXNvcGhvcmEtZDk4M2M2YmEtYWExYi00NjBhLTlkYTktZDBlM2QxNGMzMDk1

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Die grundsätzliche Frage lautet:

Wie kann es gelingen, aus der Eskalationsspirale heraus zu kommen?

Vor einem Monat, am 10.9.2023, wäre Uri Avnery 100 Jahre alt geworden.

Ich lege drei seiner Texte zum Thema Gaza/Israel von 2006, 2012 und 2014 bei.

1. Das große Experiment - Humanitäre Katastrophe im Gaza-Streifen (2006) 2. Die Mutter aller Entscheidungen (2012) 3. Ohne Augen in Gaza (2014) Im letzten Text nennt Uri Avnery einige konkrete Schritte, um aus der Reihe der Gaza-Israel-Kriege 2008, 2012, 2014, 2021 und 2023 herauszukommen, von denen er die beiden letzten nicht mehr erlebt hat.

Vor dem Hintergrund des Hamas-Massakers vom 7.10.2023 möchte ich vorab darauf hinweisen, dass es sich um historische Texte handelt, die in den jeweiligen historischen Kontext einzuordnen sind - insbesondere in einigen zugespitzten und aktuell für mich schwer erträglichen Formulierungen.

Ich bin der Überzeugung, dass die drei folgenden Texte bei Schritten aus der Eskalationsspirale hilfreich sein können - daher empfehle ich die ungekürzte Lektüre.

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https://de.wikipedia.org/wiki/Uri_Avnery

Uri Avnery (hebräisch אורי אבנרי; * 10. September 1923 in Beckum als Helmut Ostermann; † 20. August 2018 in Tel Aviv) war ein israelischer Journalist, Schriftsteller, Politiker und Friedensaktivist.

Er war in drei Legislaturperioden(1965–1974 und 1979–1981) als Parlamentsabgeordneter für unterschiedliche linke Kleinparteien wie beispielsweise Meri in der Knesset vertreten.

Internationale Bekanntheit erlangte Avnery außer durch seine publizistische Arbeit vor allem ab 1993 als einer der maßgeblichen Gründer und Sprecher der Friedensorganisation Gusch Schalom.

Für dieses Engagement wurde er 1997 mit dem Aachener Friedenspreis und 2001 zusammen mit seiner Frau Rachel Avnery und der Organisation selbst mit dem Right Livelihood Award (im Deutschen bekannter als „Alternativer Nobelpreis“) ausgezeichnet.

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1. Das große Experiment - Humanitäre Katastrophe im Gaza-Streifen (2006)

https://www.freitag.de/autoren/uri-avnery/das-grosse-experiment 27.10.2006, 00:00 Das große Experiment Humanitäre Katastrophe im Gaza-Streifen

Wann werden die Palästinenser auf die Knie fallen und um Gnade bitten?

Uri Avnery

Ist es möglich, ein ganzes Volk dahin zu bringen, sich einer fremden Besatzung zu unterwerfen, indem man es aushungert? Die Regierungen Israels und der Vereinigten Staaten sind derzeit - im Schulterschluss mit Europa - an einem streng wissenschaftlichen Experiment beteiligt, um eine definitive Antwort zu erhalten. Das Laboratorium, in dem der Versuch stattfindet, ist der Gaza-Streifen (…).

Wie kann nur eine ausgehungerte Bevölkerung durchhalten, der die Medikamente und das medizinische Gerät für ihre einfachen Krankenhäuser fehlen und die Angriffen vom Land, vom Meer und aus der Luft ausgesetzt ist? Wann wird sie auf die Knie fallen und um Gnade bitten? Oder wird sie eine übermenschliche Kraft finden und die Prüfung bestehen?

Aus dem Englischen von Ellen Rohlfs

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2. Die Mutter aller Entscheidungen (2012) https://www.freitag.de/autoren/uri-avnery/die-mutter-aller-entscheidungen

22.11.2012, 08:00 Die Mutter aller Entscheidungen Israel/Gaza Eine Alternative zur Eskalation in Nahost gibt es längst: Wenn es sein muss, reden Israelis und Palästinenser schon miteinander – der Fall Gilat Shalit hat das gezeigt

Uri Avnery

Wer hat angefangen? Eine dumme Frage. Konflikte entlang des Gazastreifens beginnen nicht. Sie sind eine anhaltende Kette von Vorfällen, von denen behauptet wird, sie seien nur „Vergeltungen“ für den letzten Vorfall. Einer Aktion folgt eine Re-Aktion, der wieder eine Vergeltung folgt. (…)

Gab es eine Alternative zur Eskalation? Es gibt eine Menge. Zunächst könnte man sich vom „Re-agieren“ verabschieden und mit Hamas als der De-Facto-Regierung des Gazastreifens reden. Man tat es, als wegen der Entlassung von Gilat Shalit verhandelt wurde.

Warum nicht – zusammen mit Ägypten – nach einem Modus Vivendi suchen und zu einer Hudna finden? In der arabischen Kultur ist die Hudna eine verbindliche, von Allah geheiligte Waffenruhe, die viele Jahre hält. Eine Hudna kann nicht verletzt werden. Sogar die Kreuzfahrer schlossen mehrmals Hudnas mit ihren muslimischen Feinden.

Unmittelbar nach dem Anschlag auf den Kommandeur der Kassam-Brigaden berichtete der Friedensaktivist Gershon Baskin, der 2011 an den Verhandlungen zur Befreiung Shalits beteiligt war, dass er bis zum letzten Tag Kontakt mit Ja’abari hatte. Der sei an einer langfristigen Waffenruhe interessiert und die Israelis darüber informiert gewesen.

Die Hamas hat mehrfach erklärt, sie würde ein durch die PLO geschlossenes Friedensabkommen mit Israel respektieren, das einen palästinensischen Staat in den Grenzen von 1967 vorsieht. Kommt es dazu nicht, wird das Blutvergießen von dieser in die nächste Runde gehen.

Uri Avnery lebt als Publizist in Tel Aviv und war viele Jahre Knesset-Abgeordneter

Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs

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http://www.uri-avnery.de/news/299/33/Ohne-Augen-in-Gaza

Aug 16, 2014 Ohne Augen in Gaza

Uri Avnery, 16. August 2014

DAS PROBLEM mit dem Krieg ist, dass er zwei Seiten hat.

(…)

ES KANN keine wirkliche Lösung für Gaza geben, ohne eine wirkliche Lösung für Palästina.

Die Blockade muss enden mit ernsthaften Sicherheitsbedenken auf beiden Seiten in Rechnung gezogen.

Der Gazastreifen und die Westbank (mit Ost-Jerusalem) müssen vereint werden.

Die vier „sicheren Durchfahrtswege“ zwischen den beiden Gebieten – im Oslo-Abkommen versprochen – müssen endlich geöffnet werden.

Dann muss es längst fällige palästinensische Wahlen für die Präsidentschaft und das Parlament geben, mit einer neuen Regierung, die von allen palästinensischen Fraktionen und von der Weltgemeinschaft anerkannt wird, einschließlich Israel und der USA.

Eine ernsthafte Friedensverhandlung, die sich auf die zwei-Staaten-Lösung gründet, muss beginnen und innerhalb einer vernünftigen Zeitspanne zum Ziel kommen.

Hamas muss offiziell das Friedensabkommen akzeptieren, das bei dieser Verhandlung erreicht wird.

Israels legitime Sicherheitsanliegen müssen berücksichtigt werden.

Der Gaza-Hafen muss geöffnet werden, um den Gazastreifen und den ganzen Staat Palästina in die Lage zu versetzen, Waren zu importieren und zu exportieren.

Es hat keinen Sinn, eines dieser Probleme getrennt zu „lösen“. Sie müssen gemeinsam gelöst werden. Sie können auch gemeinsam gelöst werden.

Es sei denn, wir wollen von einer Runde zur nächsten gehen, ohne Hoffnung und Erlösung.

„Wir“ - die Israelis und Palästinenser – die von diesem Krieg gemeinsam umschlungen sind.

Oder tun, was Simson tat: Selbstmord begehen.

(Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs, vom Verfasser autorisiert)

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Um aus der Eskalationsspirale herauszukommen, möchte ich auch auf die Friedensbotschaft von Daniel Barenboim verweisen:

https://wp-prod.evangelische-zeitung.de/barenboim-unsere-friedensbotschaft-muss-lauter-sein-denn-je/ Barenboim: Unsere Friedensbotschaft muss lauter sein denn je (…)

13.10.2023

von KNA

Der Dirigent Daniel Barenboim (80) setzt auf Positionen, die sich klar zum Frieden bekennen. „Unsere Friedensbotschaft muss lauter sein denn je. Die größte Gefahr ist doch, dass alle die Menschen, die sich so sehnlichst Frieden wünschen, von Extremisten und Gewalt übertönt werden“, schreibt Barenboim in einem Gastbeitrag für die „Süddeutsche Zeitung“ (Wochenende).

Daniel Barenboim schreibt gegen Ende:

„Wir beginnen und enden alle noch so kontroversen Diskussionen mit dem grundsätzlichen Verständnis, dass wir alle gleichwertige Menschen sind, die Frieden, Freiheit und Glück verdienen. (…)

Unsere Erfahrung zeigt, dass diese Botschaft viele Menschen in der Region und auf der ganzen Welt erreicht hat.

Wir müssen, wollen und werden weiter daran glauben, dass Musik uns in unserer Menschlichkeit einander näherbringend kann."

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P.S. Fast 10 Millionen Menschen haben inzwischen ein Video gesehen, das die Botschaft von Daniel Barenboim in anderer Form zeigt - und seinen letzten Satz bestätigt:

https://www.youtube.com/watch?v=XqvKDCP5-xE&ab_channel=Koolulam