Treffen ehemaliger Migrantenkindersklaven in Indien

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Bal Vikas Ashram (BVA) Treffen in Sadhana Sadan, Civil Lines in Prayagraj (früherer Name Allahabad) am 18.03.2025

Mehr als 30 ehemalige Migrantenkindersklaven sind heute hier zusammengekommen, um sich zu bedanken für die Befreiung aus Sklaverei, die für viele der Gekommenen vor über 20 Jahren stattgefunden hatte. Weitere 10 Ehemalige nahmen online teil.

Die Geschichte

1995 hatte ein Rechtsanwalt aus Allahabad, Amar Saran, sich per offenem Brief an viele offizielle Stellen in Indien wie auch an Hilfswerke im Ausland und auch in Deutschland gewandt mit der Beschwerde, dass es keine Programme gegen Kinderarbeit – und ganz speziell zur Bekämpfung von Migrantenkindersklaverei – gebe. Also zur Hilfe von Kindern, die von zu Hause verschleppt worden waren und daraufhin hunderte bis mehrere tausend Kilometer entfernt der Heimat arbeiten mussten. Besonders brennend war damals das Problem in der Orientteppichproduktion. Im sogenannten Mirzapur-Bhadohi-Carpet-belt (im Bundesstaat Uttah Pradesh) konnte man 10.000de derartiger Migrantenkindersklaven antreffen.

Es gab / gibt 3 Arten der Verschleppung:
  1. Die seltenste war und ist, dass ganz einfach ein Sklavenhändler per LKW auf die Felder in Bihar (dem ärmsten Bundesstaat Indiens) fährt und Kinder entführt / verschleppt.
  2. Ein Sklavenhändler kommt in ein Dorf mit (meistens) Dalits oder extrem armen Moslems und bietet zwischen 5 und 30 Euro Vorschuss an, wenn man bereit ist, die 6 bis 9-jährigen Jungen abzugeben, die angeblich einen Beruf lernen werden und dann viel Geld nach Hause transferieren können.
    In Wirklichkeit wurden / werden die Kinder in den Bundesstaat Uttah Pradesh gebracht, um dort 7 Tage die Woche 10 bis 16 Stunden am Tag Teppiche zu knüpfen. Das Erlernen des Handwerks „Teppichknüpfen“ dauert in der Regel für relativ einfache Designs (z.B. einen Gabbeh-Teppich) zwei bis drei Monate.
    Wenn dann nach 2, 3, 4, 5 Jahren die Eltern der Kinder versuchen, ihre Kinder aufzufinden und zurückzuholen – oder zumindest den ersten Lohn mitzunehmen – und es ihnen tatsächlich gelingt, ihre Kinder zu finden, werden sie zurückgeschickt mit der Aussage, der Lernprozess hätte gerade erst begonnen und es könne noch kein Lohn gezahlt werden.
  3. Vor Jahrzehnten haben die Großeltern eines Kindersklaven zur Hochzeit der Mutter Schulden gemacht. Keine Bank würde den Superarmen einen Kredit gewähren und so tun dies reiche lokale Geldverleiher anstelle der Banken.
    Diese Geldverleiher fordern oft einen Zinssatz von 20% am Tag. Dies bedeutet – inklusive Zinseszins – dass sich die Schuld alle 4 Tage mehr als verdoppelt. Nach Jahrzehnten sind aus z.B. 100 Euro mehrere Milliarden/Billionen Euro Schulden geworden. Der Geldverleiher fordert nun sein Geld zurück, was selbst für den reichsten Mann der Welt nicht möglich ist. Da die Forderung nicht erfüllbar ist, droht der Geldverleiher die Hütte der Nachfahren der Schuldner anzuzünden, wenn sie ihm nicht einen / mehrere Jungen aus dem Haus geben, damit dieser die Schuld „zurückbezahlt“. Da das unmöglich ist, nennt man dies Schuldknechtschaft oder ganz einfach Sklaverei.

Zurück zu dem Brief von Amar Saran. Ich bekam diesen damals in die Hände und beschloss sofort, diesen Rechtsanwalt in Allahabad aufzusuchen und zu fragen, warum nicht er derjenige sei, der so etwas beginnt. Als Berater für MISEREOR hatte ich damals freie Hand, neue Wege zu gehen und nicht nur zu Projektvorschlägen von katholischen Priestern, Ordensschwestern oder Bischöfen ja oder nein zu sagen.
Amar Saran war damals mehr als erstaunt über meinen Besuch, aber gemeinsam mit einem katholischen Priester (K.K. Antony) saßen wir sehr sehr lange zusammen und entwickelten ein Konzept für ein Übergangsheim für befreite Kindersklaven. Bis dieses dann allerdings tatsächlich gebaut und bewohnt wurde, vergingen noch 5 Jahre, denn es waren jede Menge Hindernisse zu überwinden. Die meisten hätten wohl zwischendrin aufgegeben, denn es schien geradezu unmöglich, so ein Rehabilitationszentrum legal in Indien zu betreiben.

Eine Annahme von uns stellte sich als Fehleinschätzung heraus:

Wir planten, anfangs lediglich ein Übergangszentrum für befreite Kindersklaven zu errichten, und gingen davon aus, dass uns vor allem BBA (Bachpan Bachao Andolan), die NGO des späteren Friedensnobelpreisträgers Kailash Satyarthi, die nach eigenen Angaben damals bereits 10.000 Kinder aus Sklaverei befreit hatte, befreite Kindersklaven zur Rehabilitation überlassen würde. BBA hat(te) keine Möglichkeit, mehr als 30 befreite Kindersklaven pro Jahr zu rehabilitieren (von – nach eigenen Angaben – 2.000 Befreiten pro Jahr).

Wir mussten also selber aktiv werden und eigene Befreiungsaktionen planen und durchführen.Bals Vikas Ashram

Im Jahre 2000 standen nicht nur die Gebäude des BVA (Bal Vikas Ashram – frei übersetzt: Kinder-Kraft-Internat), sondern wir hatten auch ein Befreiungsteam zusammengestellt, welches von Rajnath Yadav geleitet wurde. Rajnath hatte zuvor bei dem späteren Friedensnobelpreisträger Kailash Satyarthi gearbeitet.

Heute ist Rajnath der Chefkontrolleur von XertifiX e.V. Aus der Gruppe durch BBA befreiter Kindersklaven aus der Teppichindustrie waren heute 3 Ehemalige gekommen.

Nun aber in die Gegenwart

Ich den letzten Monaten hatte ich wiederholt Mitteilungen ehemaliger Kindersklaven erhalten, die darum gebeten hatten, sich bei mir bedanken zu dürfen. Dies brachte mich auf eine Idee: Danke sagen ist einfach, aber warum geben die ehemaligen Kindersklaven nicht etwas zurück? Wäre es nicht wunderbar, wenn ehemalige Kindersklaven sich als Gruppe zusammenfinden könnten und heutigen Kinderarbeitern, denen der Zugang zu Schulbildung verwehrt ist, finanziell helfen würden, Zugang zu Bildung zu erhalten?

Ein „Kinderhilfswerk“, gegründet und geleitet von ehemaligen Kindersklaven. Eine indische „Funding-agency“. 

30 Ehemalige waren gekommen, viele wohl „nur“ mit der Erwartung einer Gedenkfeier nach fast 25 Jahren, eines Wiedersehens.

Fast alle gingen jedoch davon aus, dass sie die Fahrtkosten selber bezahlen: Etwas völlig normales für Deutschland – etwas extrem Außergewöhnliches für Indien, was aber aufzeigt, wie wichtig den „Ehemaligen“ die Rückschau und der Stolz auf das Erreichte ist.

Die Versammlung ging ganz traditionell mit dem Anzünden von Öllämpchen los und dann folgt normalerweise immer das traditionelle Umhängen von Blumenkränzen für die „chief guests“, die Ehrengäste: Und genau hier hörte das Traditionelle auf: Nicht der Bischoff, nicht die Ordensschwestern, nicht der Richter am obersten Gerichtshof, nicht der Universitätsprofessor, nicht der Rausholer Rajnath oder aber der Gast aus Deutschland bekamen die Blumenketten umgehängt, sondern wir hängten den ehemaligen Kindersklaven diese Blumenketten um. Blumenkränze

Was für ein extremer Bruch mit traditionellen indischen Bräuchen, und die Reaktion ließ nicht auf sich warten: Viele der ehemaligen Kindersklaven, jetzt verheiratete Männer in den 40ern, begannen – und auch dies gibt es in Indien eigentlich nicht – öffentlich vor Rührung zu weinen. 

Hinterher erzählten sie, dass sie schon so oft in ihrem Leben dabei waren, als Blumenketten den Ehrengästen den VIPs umgehängt worden waren, aber dass dies zum ersten Mal ihnen zu Teil wurde. Was für eine Ehre für in völliger Armut aufgewachsene Moslems oder aber als kastenlose Hindus Geborene mit der seit Jahrtausenden zementierten Erwartung, in diesem Leben nur Ausbeutung und Erniedrigung zu erleben!

In aller Kürze (10 min.) erklärte ich, was der Grund für das heutige Wiedersehen war, danach folgten Erzählungen: 

ehemalige Migrantenkindersklaven erzählten aus Ihrem Leben

Als erstes tritt Mohamed Ashik (35 Jahre) vor. Ich hatte ihn schon vor 3 Wochen in Delhi wiedergetroffen (gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Masik, 30 Jahre, der immerhin bis zur 5. Klasse zur Schule gegangen war und dann mit 11 Jahren als Kinderarbeiter in Bhadohi Teppiche knüpfte).

Mohamed Atik

Ich hatte Ashik im Jahre 2002 zweimal im Bal Vikas Ashram besucht.

Wir hatten ihn in jenem Jahr in Bhadohi (Nai Bazaar) als 12-jährigen befreit und in den Ashram gebracht. Ashik hat noch 3 Brüder und eine Schwester. Er stammt aus dem Osten Bihars (Distrikt Araria), ca. 600 km entfernt von Bhadohi. Sein Vater war gestorben, als er 4 Jahre alt war.

Da die Mutter die 5 Kinder nicht versorgen konnte, gab sie Ashik einem „Onkel“ mit, der ihn nach Bhadohi brachte und dort an einen Teppichfabrikanten verkaufte.

Er bedauert bis heute, dass die Zeit im Übergangszentrum für befreite Kindersklaven (Bal Vikas Ashram, BVA) auf 6 Monate begrenzt war.

„Ich habe damals eine derartige gute Versorgung und Unterstützung erhalten, die mein komplettes Leben bis heute prägt. Die 6 Monate waren wie 6 Jahre „normale“ Schulbildung. Ich weiß noch sehr genau, wie ich damals schrecklich weinen musste, als die Zeit vorbei war …“ schildert er eindrucksvoll und erzählt, wie er damals (2002) mehr als beeindruckt war, als er sah, wie ich am Laptop gearbeitet habe, und sich vorgenommen hat, auch so zu werden wie ich.

Ebenfalls erinnert er sich noch gut daran, wie er mich damals fragte, an welchen Gott er eigentlich glauben sollte, und welche Religion die beste sei, ob er also in den Tempel, die Moschee oder die Kirche gehen sollte. Ich habe wohl, nach seiner Aussage, damals geantwortet, dass es seine Entscheidung ist und alle Religionen einen sehr guten Kern haben, aber auch Schwächen (vor allem im Personal).

Er hätte noch so viel mehr gerne gelernt. Es sind diese 6 Monate die einzige Zeit, die er in einer Schule verbracht hat. Vorher eh nicht, da er bereits mit 6 Jahren versklavt worden war, aber auch hinterher nicht. Er war zwar nach dem Aufenthalt im Ashram in eine staatliche Schule gegangen, aber da er dort fast täglich geschlagen wurde („fast“ täglich nur deswegen, weil der Lehrer nicht täglich kam) verließ er diese Schule schon nach wenigen Wochen, in denen er nichts gelernt hatte.

Und dann kam das Rehabilitationspaket, welches bedeutete, dass Ashik 20.000 Rupien erhielt, die er für den Bau eines Hauses für seine Familie nutzte. Außerdem erhielt er 300 Rupien pro Monat Entschädigung bis zu seinem 18. Geburtstag.

Mit 16 ging er nach Delhi, um Arbeit zu finden. Dort arbeitete er als Steinpolierer (vor allem Marmor aus Rajasthan), aber der Mittelsmann behielt fast das ganze Geld und gab ihm nur so viel, dass er nicht verhungerte.

Daraufhin bat er einen weiteren Onkel, den Bruder der Mutter, der als Bauherr tätig war, ob er nicht für ihn arbeiten dürfe. Hier arbeitete er sich dann hoch (von jeden 600 verdienten Rupien bekam er 100 als Lohn ausbezahlt) und hat vor 15 Jahren sein erstes Haus gebaut (bauen lassen) und für 6 Monate Arbeit 100.000 Rupien verdient (nach damaligem Umrechnungskurs ca. 1.600 Euro). Von diesem Geld kaufte er Land in seinem Heimatdistrikt Araria. Doch das Geld war in den Sand gesetzt und komplett verloren. Desillusioniert fuhr er wieder nach Bhadohi, um doch wieder als Teppichknüpfer Geld zu verdienen, verdiente aber fast nichts, und da ihm ein Freund dazu riet, sein Glück doch wieder in Delhi zu versuchen, machte er sich wieder dorthin auf.

Hier konnte er als Bauherr arbeiten und bald hatte er ein Haus für 8,6 Millionen Rupien gebaut und im Anschluss eines für 10 Millionen. Ihm blieben 1,5 Millionen und er eröffnete damit ein eigenes Geschäft als Bauherr (registered private Limited company) für Häuser im Großraum Delhi. Bisher hat er bereits mehr als 30 Häuser fertiggestellt, auch 7-stöckige Hochhäuser. Er hat 50 Arbeiter angestellt. Normalerweise werden die Arbeiter jeweils am 10. des Folgemonats ausbezahlt. Ashik bezahlt sie im Gegensatz hierzu aus, wenn immer sie das Geld benötigen. Er achtet sehr auf die Einhaltung der Arbeitnehmerrechte (maskuline Form, da er nur Männer angestellt hat). Er ist inzwischen so angesehen, dass selbst ein CBI-Arzt ihn anfragte, für ihn eine Villa auf Sri Lanka zu bauen.

Ashik ist seit 12 Jahren verheiratet. Seine Frau stammt auch aus Bihar. 

Der Vater der späteren Frau hatte von Ashik gehört. Er hatte einen Freund engagiert, einen Bräutigam für seine Tochter zu finden, der nicht trinkt, nicht betrügt, Moslem ist und nicht ganz arm. Ashik wurde gefunden und angeblich hat die Familie von Ashik keine Mitgift verlangt und es waren wohl auch nur 100 Personen zur Hochzeit eingeladen gewesen / gekommen.

Ashik und seine Frau haben einen 9-jährigen (Oliula) und einen 7-jährigen Sohn (Ataula) und auf Nachfragen erfahre ich auch noch, dass sie auch noch eine einen Monat alte Tochter (Amna) haben.

Ashik kann weder einen Computer bedienen noch Englisch sprechen, will aber beides lernen.

Ashik hat heute 15 Millionen Rupien (ca. 185.000 Euro) auf seinem Bankkonto.

Für ihn ist der Sinn seines Lebens jetzt, dass seine Söhne eine bessere Zukunft bekommen und Arzt und Ingenieur werden und dass er durch ehrliche Arbeit Menschen helfen kann, die seiner Hilfe bedürfen.

Es ist Ashik zu verdanken, dass es überhaupt zu diesem Treffen gekommen ist. Er hat vor gut einem halben Jahr die XertifiX-unterstützte Schule in Dhaneshwar (Rajasthan) besucht und war über den Zustand des Schulgebäudes so entsetzt, dass er 50.000 Rupien (600 Euro) gegeben hat, um das Gebäude zu sanieren.

Dies brachte mich auf die Idee, warum nicht auch andere Ehemalige fragen, ob sie nicht bereit wären, heutigen Kinderarbeitern zu helfen.

Ashik geht löblich voran, er erklärt öffentlich, dass er 15% seiner Einnahmen für soziale Projekte spenden wird.

Er schließt mit den (übersetzten) Worten: „I want our children to become doctors and engineers. Therefore, I have got them admitted in a good school. Perhaps if I had studied more, I would have gone further. Therefore, I will educate my children no matter how much money I have to spend. I went to Rajasthan with Guru ji and met mines workers there due to his efforts. Very good work is being done for the education and health care of children. I thank Rajnath ji and Benjamin bhaiya for the education being imparted to the children of mines workers of Rajasthan. Araria is my home district where I dwell. I will open a good school there and will contribute in whatever way I can for the education of poor children so that the children of labourers can get a better education so that these children can also become officers and people should salute them too.“

"Ich möchte, dass unsere Kinder Ärzte und Ingenieure werden. Deshalb habe ich dafür gesorgt, dass sie auf eine gute Schule gehen. Wenn ich mehr studiert hätte, wäre ich vielleicht weiter gekommen. Deshalb werde ich meine Kinder ausbilden, egal wie viel Geld ich dafür ausgeben muss. Ich bin mit Guru ji nach Rajasthan gereist und habe dort dank seiner Bemühungen Minenarbeiter getroffen. Es wird sehr gute Arbeit für die Bildung und Gesundheitsfürsorge der Kinder geleistet. Ich danke Rajnath ji und Benjamin bhaiya für die Bildung, die den Kindern der Minenarbeiter in Rajasthan zuteil wird. Araria ist mein Heimatbezirk, in dem ich wohne. Ich werde dort eine gute Schule eröffnen und auf jede erdenkliche Weise zur Bildung armer Kinder beitragen, damit die Kinder von Minenarbeitern eine bessere Ausbildung erhalten, damit auch diese Kinder Offiziere werden können, und die Menschen sollten sie ebenfalls grüßen.“ – Übersetzt mit DeepL.com (kostenlose Version)


Mohamed NizamEiner der ersten befreiten Migrantenkindersklaven war Mohamed Nizam (Nizamuddin) im Jahr 2001.

Wie alle anderen auch bedankt er sich zuerst herzlich bei allen, die für den Bal Vikas Ashram (BVA) verantwortlich waren und ich werde dies daher bei den folgenden Personen nicht extra erwähnen. 

Die Befreiung und der Aufenthalt im BVA waren die Hilfe zur Veränderung seines Lebens gewesen.

Er hatte in einer Teppichmanufaktur in Handiya, Allahabad, gearbeitet und war sehr sauer und voller Todesangst, als Rajnath ihn „befreite“. Man hatte ihm gesagt, dass, wenn jemand käme und ihn mitnehmen würde, ihm eine Leber oder ein Auge genommen würde und diese dann im Ausland verkauft würden. Er war gemeinsam mit 14 anderen befreit worden, die alle in den BVA gebracht wurden. „Ich danke Gott, dass dies geschehen ist.“

Er arbeitet seit langem als Lebensmittelzwischenhändler. Er besorgt Früchte aus verschiedenen Regionen und verkauft diese auf Märkten in Delhi. So auch Äpfel aus Kaschmir oder Fische aus Orissa, die er in Delhi weiterverkauft.

Sein Vater ist inzwischen gestorben.

Mohamed Nizam

Es ist ihm ein großes Anliegen, benachteiligten Kindern zu helfen. Bereits heute unterstützt er Not leidende Kinder in seinem Dorf – z.B. wenn diese Geld für einen Krankenhausaufenthalt oder für ihre Bildung benötigten. So hat er auch vielen in seinem Dorf geholfen, „Indira Awaas Yojana“ (https://megcnrd.gov.in/forms/IAY.pdf) zu erhalten, dem Programm zur finanziellen Hilfe beim Hausbau für Familien unterhalb der Armutsgrenze.

Er wurde dadurch so bekannt, dass er in den Dorfrat (10.000 Einwohner) gewählt wurde – und dies ohne Wahlkampfkosten.
Für seine Hochzeit hat Nizamuddin von der Familie seiner Zukünftigen keine Mitgift verlangt.

„I want to serve the children of the poor and Musahar community, so that they do not become victims of child predators. I along with Khushi Lal, Laalta Prasad, Laxmi Sada, will organize a conference of the trained children of Bal Vikas Ashram in Saharsa, Bihar, on 5th of November, so that a comprehensive strategy can be made for child welfare.“


Nandu war gemeinsam mit 16 weiteren Migrantenkindersklaven im Jahr 2000 befreit worden. Er erinnert sich noch sehr genau, dass er damals oft hungern musste, vor seiner Befreiung 2 Tage lang nichts zu Essen bekommen hatte und dann überglücklich war, im Ashram versorgt zu werden. Er nennt speziell den damaligen Priester Louis und die Ordensschwester Frieda.

Später arbeitete er als Ziegenzüchter, aber es starben ihm alle Tiere weg und er gab dieses Geschäft auf.

Heute arbeitet er als LKW-Fahrer in einer Steinmiene in der Meja Gegend. Er verdient 2.000 Rupien in der Woche und erhält als Bonus 75 Rps. pro voller Ladung. Er schafft pro Tag 8 bis 10 LKW-Ladungen. Er verdient also ca. 380 Euro im Monat. Für seine Verhältnisse / mit seinem Hintergrund ein sehr gutes Gehalt.

Nandu ist verheiratet und hat einen Sohn und eine Tochter. Mehr nicht: Small family - happy family. Beide gehen in die Schule. „Ich möchte auch anderen Kindern helfen, so dass keines ungebildet bleibt.“


Mohammad Irshaad wurde 2001 aus der Teppichindustrie in Handiya befreit. Wir waren damals schockiert. Denn der Besitzer hatte die Kinder in einem Heuhaufen versteckt und sie wären fast erstickt. 

An dem Tag waren wohl viele der Kinder versteckt, denn der oberste Polizeipräsident von Uttah Pradesh (240 Millionen Einwohner) hatte am Vortag alle Polizeidienststellen im Lande angewiesen, Polizisten zur Verfügung zu stellen, da eine Befreiungsaktion anstünde und ein Ausländer (ich) daran teilnehmen würde. 

Und so hatten die meisten Polizeidienststellen die Exporteure gewarnt. Dies ist damit zu erklären, dass die meisten Polizisten nicht nur ihr Gehalt von der Landesregierung erhalten, sondern auch auf der Gehaltsliste der Reichsten im Dorf stehen, da diese mit diesen Bestechungsgeldern dafür Sorge tragen, dass ihre illegalen Tätigkeiten nicht verfolgt werden.

Als wir an diesem Morgen im Jahre 2001 uns dann auf den Weg machten, sahen wir überall an den Straßenkreuzungen bewaffnete Männer stehen (Gundas – eine Art von Mafiatruppe), derer sich die Reichen / die Exporteure bedienen, um sich zu schützen. In diesem Fall, um uns davon abzuhalten, ihnen Arbeitskräfte (Kinder) wegzunehmen.

Buch "kleine Hände - großer Profit"

Ich habe diese Befreiungsaktion in meinem Buch „Kleine Hände – großer Profit“ genauer beschrieben und gehe daher hier nicht weiter darauf ein.

Hier ist nur interessant, wie genau sich Irshaad noch an den Tag erinnert (er wäre ja immerhin fast erstickt) und daran, warum er mucksmäuschenstill war im Heu: Der Knüpfstuhlbesitzer hatte alle Kinder gewarnt: Wenn Polizei kommen würden, dann würden sie verprügelt und ins Gefängnis geworfen. Ihnen wurde gesagt, dass, wenn ein Ausländer dabei wäre, man ihnen die Bäuche aufschneiden werde und Organe wegnehmen würde. (Anmerkung BP: Leider gibt es solche Fälle von „Organspende“ immer wieder in Indien).
Er hatte damals bereits jegliche Hoffnung aufgegeben, jemals wieder nach Hause zurückkehren zu können. Er stammt aus dem Distrikt Saharsa in Bihar.

Auch er war in seinem Leben nur die 6 Monate im Ashram in der Schule – niemals vorher und niemals danach.

Nach der Zeit im Ashram hat er sein Glück in Delhi versucht, da seine Familie so arm ist. Heute arbeitet er im „Holzsektor“ und lebt in Nagloi in Delhi. Er ist verheiratet, hat eine Tochter und 2 Söhne. Alle drei studieren in einer „CBSE board school“ (Central Board of Secundary Education) und sollen gute Regierungsbeamte werden.

Für ihn ist der Sinn des Lebens: Seine 3 Kinder studieren zu sehen und damit zu verhindern, dass sie zu Sklaven werden. „Ich bin bereit, in jeder Art und Weise dazu beizutragen, dass arme Kinder Bildung erhalten und für ihr Wohlergehen gesorgt wird.“


Mohamed Naushad war völliger Analphabet, als er 2002 befreit wurde (Teppichknüpfer, Nai Bazar, Bhadohi) und dann in den Ashram kam. Er konnte nicht einmal bis 10 zählen. Alles, was er bis heute weiß, hat er in dem halben Jahr im Bal Vikas Ashram gelernt – vor allem: Selbstbewusstsein.

Und dieses Selbstbewusstsein hat dazu geführt, dass er es sich selbst zutraut, mit hohen Regierungsbeamten (IAS, PCS officers) oder dem Bezirksrichter zu sprechen, und nicht nur unterwürfig um etwas zu bitten, sondern klar seine Ansichten zu sagen ohne Angst zu haben. Etwas, was für uns in Deutschland als normal erscheint, hier aber geradezu eine Revolution darstellt.

Nachdem wegen Corona in ganz Indien der „Lockdown“ (Sperrung des öffentlichen Lebens – alle Züge standen still und Inlandsflüge wurden gestrichen) ausgerufen wurde, organisierte Naushad kurzerhand 50 Fahrräder für seine Arbeitskollegen und sie fuhren damit in ihre Dörfer nach Bihar (Distrikt Araria, Bocchi ca. 700 km entfernt!). 

Naushad arbeitet in Bhadohi weiterhin als Teppichknüpfer. Während dieser Fahrt wurden sie oft von der Polizei an verschiedenen Checkpoints angehalten und ihnen wurde die Weiterfahrt verwehrt. Es war dem forschen und selbstbewusstem Auftreten von Naushad zu verdanken, dass letztlich alle 50 in ihren Dörfern ankamen. 

22 Tage waren sie unterwegs gewesen (einschließlich einer Corona Quarantäne). Die Regierung von Bihar half ihnen, indem sie ihnen einen „Regierungsbus“ an der Grenze zu Uttah Pradesh zur Verfügung stellten.

Naushad ist „the contractor for all the construction work that takes place in the village council and also helps the elected leader, the Sarpanch“ (Bürgermeister)

Nachdem Naushad vor drei Monaten von meinem Vorschlag für dieses Treffens erfuhr, hat er spontan eine WhatsApp Gruppe ehemaliger BVA-Kinder gegründet und informiert uns jetzt darüber, dass viele Ehemalige aus verschiedenen Gründen zum heutigen Treffen nicht anreisen konnten und dies ausdrücklich bedauern. Die Gruppe umfasste (vor unserem Treffen) 17 Mitglieder, von denen 5 anwesend sind. Alle unterstützen einander und haben sich riesig auf dieses Treffen gefreut. Nach dem Treffen waren bereits 35 Mitglieder in der Gruppe. Er glaubt, dass bis zum nächsten Treffen im November weitere 200 ehemalige Kindersklaven der WhatsApp Gruppe beitreten werden.

Beiden seiner Kinder, einem Sohn und einer Tochter, verschafft er eine gute Bildung.

Er verpflichtet sich, ab sofort notleidende Kinder und Kollegen zu unterstützen für ihre Gesundheit und ihre schulische Bildung: „I try my best to stop the migration of children here, so that they do not get trapped in child labour. I want to become a village head and arrange for better education and training of each and every child of my village.“


Surenda Ram weiß nicht, wo er zu erzählen anfangen soll und dankt daher zu erst einmal mir. Er sei so glücklich, „Benjamin Sir" nach 32 Jahren wieder zu sehen.

Er wurde bereits im Jahre 1992 gemeinsam mit 62 weiteren Kindern (darunter Hariram Singh und Ram Singh) aus der Teppichsklaverei befreit (Dorf Jagdishpur in der Gopiganj Gegend von Bhadohi). Er erinnert sich noch gut, wie er am Ufer des Ganges Orientteppiche knüpfen musste und dabei aufs Schlimmste von dem Knüpfstuhlbesitzer ausgebeutet wurde.

Die Befreiungsaktion damals war von Kailash Satyarthi und Swami Agnivesh organisiert gewesen (BBA). Er wurde dann zu einem Ausbildungstraining in den Mukti Ashram nach Delhi gemeinsam mit 16 weiteren Kindern geschickt, wo er Rajnath und mich kennenlernte.

Er wurde in dieser Zeit dem damaligen Präsidenten Indiens im Präsidentenpalast (Rashtriya Bhawan) in Delhi vorgestellt (das gesamte Treffen hat insgesamt nur 15 min. gedauert).

1999 erhielt er gemeinsam mit 62 weiteren ehemaligen Kindersklaven ein Rehabilitationspaket der Regierung: Er bekam eine „Kuchcha“ Hütte um dort gemeinsam mit Ziegen zu wohnen und damit seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Jedoch aufgrund der beißenden Armut kehrte er zurück in die Teppichindustrie.

In den Jahren 2001 bis 2003 dann die Wende. Rajnath und auch ich hatten ihn ja schon in den 90igern in Delhi im Mukti Ashram kennen gelernt und so konnte er jetzt im Bal Vikas Ashram arbeiten. Er machte Kindersklaven in der Gegend ausfindig und hat damit dazu beigetragen, dass 250 Kindersklaven aus dem Palamu Distrikt befreit werden konnten.

Außerdem hat er Lobbyarbeit für NCLP (National Child Labour Programe) Schulen für ehemalige Kinderarbeiter gemacht.
Er selbst war dann auch Lehrer in einer NCLP-Schule in Asnabandh.
Aktiv hat er sich an die Regierung gewandt und sein Anrecht auf die Zuweisung eines Landtitels eingefordert. Mit Erfolg: er bekommt „Mukti Praman Patra.

„Wir Kinder waren einst Opfer von Sklaverei und hatten das Glück, befreit zu werden. Heute leben wir als unabhängige Bürger.“

„I will support him (Rajnath) in this campaign in future also. I will contact and gather about 250 children of Garhwa, Palamu and other districts of Jharkhand who were freed once. I will ask them to join this campaign too, so that better education can be arranged for the children of labourers and they do not become child labourers. I will definitely arrange this in Garhwa district of Jharkhand. We are not fully rehabilitated yet because the government has still not given us land. In this campaign, people who were freed before us are also with me, among whom Basant Ram, Sunil Ram, Shiv Shankar, Vijay Ram etc. They are supporting me and will continue to do so in the future. Whatever work plan will be made here, I will be involved in it with all my heart and soul.“

Surenda Ram, der älteste der anwesenden ehemaligen Kinderarbeitssklaven, übernahm damit die Koordination der neuen Gruppe für den Bundesstaat Jharkand.


Mohamed NaiyarAm 6. März 2002 haben wir Mohammad Naiyar Alam, aus Araria in Bihar stammend, aus der Teppichknüpfsklaverei befreit. Er hatte täglich – jeden Tag – 14 bis 15 Stunden arbeiten müssen, um damit fiktive Schulden der Großeltern abzuarbeiten.

Auch er war zu diesem Zeitpunkt ein völliger Analphabet und hat auch nach den 6 Monaten im BVA nie wieder eine Schule besucht. Für ihn war besonders wichtig, dass er im BVA nicht nur Bildung vermittelt bekam, sondern auch Werte.

Mohamed NaiyarHeute kann er sich seinen Arbeitsplatz aussuchen – er verdient als Teppichknüpfer 18.000 Rupien (ca. 210 Euro im Monat).
Er gibt jeden Monat 2,5% seines Einkommens für benachteiligte Kinder in seinem Dorf, meistens um Krankenhausaufenthalte zu finanzieren, Bildung zu ermöglichen oder ähnliches.

Er hat über ein Regierungsprogramm 25.000 Rupien für die Errichtung eines Eigenheims erhalten und dies mit viel zusätzlichem Eigenkapital verwirklicht.

Er ist verheiratet und hat 5 Söhne und eine Tochter. Sein ältester Sohn ist behindert und Naiyar macht sich große Sorgen um ihn.

Abschließend sagt er: „In future, by joining this group, we will definitely do whatever we can.“


Mohamed NaseemMohamed Naseem erinnert sich, dass er ein sehr ungezogener Junge im BVA war. Deswegen bedankt er sich jetzt ausdrücklich für die Strenge, von der ihm erst jetzt bewußt wird, dass sie von Nöten war, um ihn auf die rechte Bahn zu bringen.
Viele Dinge erlebte er zum ersten Mal im BVA, so auch: „Father Louis gave us love and played Holi with us, I can never forget those moments.“

Er ist körperlich behindert an beiden Füßen.

LakshmiHeute ist er Fischverkäufer in seiner Heimat, dem Saharsa Distrikt von Bihar. Er kauft die Fische vom Großhändler und verkauft sie dann auf Fischmärkten und verdient damit 10 bis 12.000 Rupien im Monat (ca. 120 Euro).

Ihm sind 2 Söhne und eine Tochter. (Im Hindi gibt es das Wort „haben“ nicht, sondern nur das Wort „sein“, daher hier einmal der Versuch, dies ins Deutsche zu übertragen …)

Für alle 3 bezahlt er die Gebühren in einer sehr guten Privatschule.

Und nach heute?: „I will go back and help more poor children.“


Und nun zu Lakshmi Sada (Laxmi), das weltweit bekannteste „Teppichkind“ (neben Nageshwar, der leider absagen musste und nicht kommen konnte, da er nicht frei bekam von seinem Arbeitgeber. Er arbeitet in einem Hotel in Delhi und möchte auch Teil der neuen Gruppe werden).

Lakshmi hat während des Global March against Child Labour im Jahre 1998 97 verschiedene Länder besucht – in weniger als 300 Tagen!! Immer an der Seite von Kailash Satyarthi, der ihn bei seinen Gesprächen mit Politikern und Prominenten als Beispiel für Kindersklaverei vorstellte. Er lebte zu der Zeit (also vor und nach dem Global March) im Mukti Ashram in Delhi. Später arbeitete er als Angestellter im Mukti Ashram in Varanasi.

Verheiratet und mit Sohn und Tochter ist er heute gewählter Ward Panch (Ratsmitglied) seines Dorfes Bhelwa, Salkhua, Saharsa Disktrikt des ärmsten indischen Bundesstaates Bihar.

Seit vielen Jahren versucht er ein Rehabilitationspaket, ein Stück Land, zu bekommen, aber es hat ihm niemand geholfen und er hat es nicht erhalten. Jetzt, nach einem 15 Jahre dauernden Kampf um dieses Paket, hat er es endlich erhalten, nachdem sich Rajnath dafür bei ihm bekannten Dienststellen in Bihar bemüht hatte (im Zusammenhang mit der Einladung zu dem heutigen Treffen). Er hat 15 Bismil Land erhalten.

„Den Kindern der Musahads (unterste Gruppe innerhalb der Dalits – der Kastenlosen) meines Dorfes wird immer noch die Bildung vorenthalten. Dies hat mehrere Gründe: - fehlendes Bildungsumfeld, - finanzielle Schwierigkeiten, - Arbeitslosigkeit der Eltern, - Migration um sich als Kinderarbeiter zu verdingen. 

Ich möchte, dass in meinem Dorf das Bildungssystem eingerichtet wird. Vor kurzem hat es eine riesige Überschwemmung in meinem Dorf gegeben, was das gesamte Leben beeinträchtigt hat. Während dieser Zeit und wegen der finanziellen Notlage und dem Fehlen von Arbeitsplätzen sind die Kinder als Arbeitsmigranten weggegangen.“


SamaruSamaruShamaru (oder Samara oder Samharu geschrieben) war 2001 durch eine Befreiungsaktion, die die Landesregierung von Uttah Pradesh angeordnet hatte, befreit worden und an den Bal Vikas Ashram übergeben worden. Auch für ihn gilt: Er war weder vor noch nach seinen 6 Monaten im BVA je in einer Schule gewesen. Er war nach dem Aufenthalt im BVA in sein Dorf (Gram Sabha[Village council]- Jamua, Distrikt Nagar Utari, Bundesstaat Jharkhand) zurückgekehrt und hat dort später auf seinem Stück Land, welches er als Rehabilitationspaket der Regierung erhalten hatte, eine Schule eröffnet.

Er ist so glücklich, seine Freunde heute noch einmal sehen zu dürfen.

„Ich setze mich für Bildung für die Kinder meines Dorfes ein. Beeinflusst von dem Gespür für Dienst am Menschen und Hingabe an die Gesellschaft, haben die Dorfbewohner meine Frau zur Bürgermeisterin gewählt.“ (Ca. 3.500 Menschen leben in seinem Dorf)

„Ich selber möchte in Zukunft noch mehr gute Arbeit für die Gesellschaft leisten.“


Om PrakashOm PrakashOm Prakash (1999 befreit, Teppichknüpfer) bedankte sich besonders bei mir, weil ich es wohl war, der die Moral der Kinder gestärkt habe bei den wiederkehrenden Besuchen im Bal Vikas Ashram. Er wird niemals die Liebe, Bildung und tolle Anleitung, die er in diesen Monaten erfuhr, vergessen. Sein Bruder, Uma Shankar, war ebenfalls im BVA gewesen, konnte aber heute nicht kommen, da er verhindert war. 

Nach den 6 Monaten im BVA machte Om Prakash eine Ausbildung als Fahrzeugmechaniker und lernte Autofahren. Heute arbeitet er als Lastwagenfahrer in Obra, Distrikt Sonbhadra, Bundesstaat Uttah Pradesh für die Ultratech-Company. Er verdient im Monat zwischen 18 und 20.000 Rupien (ca. 230 Euro). Abschließend sagt er: „Ich bin bereit, jedwede Hilfe zu leisten für das Wohlergehen von Kindern, die in Minen oder sonst wo arbeiten müssen, und werde Initiativen unterstützen, die dafür Sorge tragen, dass keine neuen Kinder Kinderarbeiter werden.“

Om Prakash hat 4 Kinder - allen ermöglicht er, Bildung zu erhalten.


Nur ganz kurz sprach Mohammad Irshad II (Naushad) zu uns von seiner Befreiung im Jahre 2002 und den 6 Monaten im BVA, wo das Team harte Arbeit verrichtete, um ihm Bildung zu vermitteln. Er ist sich sicher, dass die heute hier Anwesenden fähig sind, viel mehr Ehemalige für das nächste Treffen zu mobilisieren. „I want to provide good education and employment to the children of my village. I am ready to cooperate fully for the welfare of children.“


SarwarSarwarSarwar Alam (oder Sarvaar) freut sich riesig, seine alten „Kollegen“ hier wieder zu treffen nach so vielen Jahren. Er arbeitet als Feldarbeiter, als Tagelöhner. Er verdient ca. 400 Rupien am Tag (ca. 4,80 Euro). Er wohnt wieder in Araria in Bihar, hat 5 Kinder, 2 Söhne und 3 Töchter. Allen ermöglicht er eine gute Bildung.

„After leaving the ashram, I know the good and bad of the society. I stop other children from migrating and working as labourers. I will help this group with ₹10 every day, if needed even in these difficult circumstances.“ (also 2,5% Spende – er, der gerade genug zum Essen pro Tag für seine Familie verdient!)


AftabAnjaar (oder Aftab alias Anjar) wurde bereits als 6-jähriger an einen Teppichproduzenten verkauft. Der Knüpfstuhlbesitzer ließ ihn 12 bis 15 Stunden am Tag arbeiten – jeden Tag – und die arbeitenden Kinder wurden sehr oft geschlagen, wenn sie sich weigerten zu arbeiten. 2002 wurde er aus der Sklaverei befreit und verbrachte 5 bis 6 Monate im BVA. Für ihn war die Zeit im Ashram viel zu kurz. Gerade als er dabei war, sich an den neuen Lebensstil zu gewöhnen und Bildung „aufzusaugen“, war bereits die Zeit gekommen, wieder zu gehen.

Nach der Zeit im Ashram ging er eine Zeitlang in eine staatliche Schule, aber dort passierte nichts (die Lehrer kamen fast nie – und wenn, dann saßen sie nur rum und unterrichteten nicht) und so verließ er die Schule wieder. Armut und Hunger zwangen ihn, sich nach einer Arbeit umzusehen und er ging nach Ambala im Punjab (im Westen Indiens), um dort als landwirtschaftliche Hilfskraft zu arbeiten. Heute verdient er pro Monat 14 bis 15.000 Rupien (ca. 170 Euro). Einen Teil des Geldes sendet er jeden Monat zurück in sein Heimatdorf, wo seine Eltern leben.

Vor 2 Jahren wurde er verheiratet und hat inzwischen einen Sohn, dem er ausgezeichnete Bildungsmöglichkeiten geben möchte, damit er eine gute Persönlichkeit wird.

Ihm ist ganz wichtig zu erzählen, dass seine Familie zur Hochzeit keine Mitgift von der Familie seiner Zukünftigen verlangt hat, denn dies hatte er von seinem Guru (Rajnath) und den Ordensschwestern gelernt, als er 2002 im BVA gewesen war. Obwohl sie keine Mitgift wollten hat doch die Brautfamilie ihm ein Motorrad bei der Hochzeit geschenkt.

„I want that no child should ever live a life of slavery as mine where the owners take work continuously for 14 to 15 hours. I will join this campaign and stop them from becoming child labourers. I will fulfill any responsibility I am given.“


Sudama Ram kam aus Jharkhand (früher der südliche Teil von Bihar). Er wurde 1998 an einem regnerischen Tag durch BBA (Bachpan Bachao Andolan, die Gruppe von Kailash Satyarthi) befreit und nach Gyanpur gebracht. Alle befreiten Kinder waren damals – so erinnert er sich – extrem hungrig. Der Fabrikbesitzer hatte ihnen nie genug zu Essen gegeben und sie hatten nicht genug Geld, um sich selber etwas zum Essen zu kaufen. Wie üblich hatte er – da durch BBA befreit–, kein „freedom certificate“ (Befreiungsurkunde) erhalten und kam daher auch nicht in den Genuss von „rehabilitation schemes“ (Wiedereingliederungsbeihilfen – z.B. Mukti Praman Patra).

In seiner Not machte er sich auf in den Punjab (ein sehr reicher Bundesstaat im Westen Indiens) auf der Suche nach Arbeit. Auf dem Weg dorthin wurde ihm im Zug seine Tasche gestohlen, in der sich auch sein Zugticket befand. Zu seinem Glück wurde er aber auf der gesamten Fahrt nicht kontrolliert, und so erreichte er den Punjab und begann, nach einer Arbeit zu suchen. Er ging von Fabrik zu Fabrik und bat um Anstellung.

Nach langer Suche sah er schließlich eine Notiz in der „HMT Tractors factory“. Sie stellten Arbeiter für 30/40/50 Rupien am Tag ein (nach damaligem Umrechnungskurs ein Tagesverdienst von 45 bis 75 Cent). Sudama erkundigte sich nach dem Grund für die unterschiedliche Entlohnung. Es wurde ihm gesagt, dass diejenigen, die nur 45 Cent am Tag bekämen, dafür in verschiedenen Berufen zeitgleich ausgebildet würden und so lernte er Schweißen, „gas cutting“ (Brennschneiden) und Handhabung von Bohrmaschinen und anderer Instrumente. Er bildete sich also weiter und verdiente sich so nach und nach ein anständiges Einkommen.

Mit 17 Jahren wurde er verheiratet. Heute hat er 3 erwachsene, verheiratete Kinder.

Er war nie im Übergangszentrum Bal Vikas Ashram gewesen, hatte aber von diesem Treffen für befreite Kindersklaven hier erfahren und wollte unbedingt dabei sein.

„Nicht in meinen kühnsten Träumen hatte ich mir vorstellen können, euch alle hier zu sehen, die ihr ähnliches wie ich erleben musstet, und bin daher heute überglücklich.“


Anschließend ergreift Mayank Srivastava (ein Produzent von Orientteppichen und Unterstützer des BVA seit Jahrzehnten) das Wort und verpflichtet sich, ebenfalls 10 min. Zeit pro Tag für die hier entstehende Kampagne zu geben, um Kindern zu helfen. Er sagt, dass dies eine sehr gute Idee von Benjamin sei: „We will fullfill this dream“. ALLE anwesenden „Kinder“ und alle sonstigen Anwesenden erhoben ihre Hände und unterstützten diese Idee ebenfalls. Dies war ein sehr bemerkenswertes Resultat.

RajnathRajnath (Mitorganisator dieses Treffens und Chefkontrolleur von XertifiX e.V.) betont nicht nur die Wichtigkeit, Zeit zur Verfügung zu stellen, sondern auch finanzielle Mittel. Alle Anwesenden unterstützten auch diesen Aspekt und verpflichteten sich, den Aktionsplan umzusetzen unter der Leitung von Bischof Louis Mascarenhas, Richter Amar Saran und Benjamin Pütter.

Der ehemalige Kinderarbeitssklave Ashik sagte, dass er, bis die Gruppe voll installiert ist, die Kosten für das nächste Treffen am 5. November übernehmen wird, in dem die anwesenden ehemaligen Kindersklaven die Ehrengäste sein werden. Wir werden versuchen, dass zu diesem Treffen dann ca. 200 ehemalige Kindersklaven kommen werden. Nizam und Mohammad Naiyar bekräftigen noch einmal, dass alle 10% dessen, was sie an Geld einnehmen, als Spende geben werden. Es wird vereinbart, dass jeden Monat eine Telefonkonferenz abgehalten wird, um den Stand der Vorbereitungen auf den 5. November zu begleiten.

Lalta sagte, dass er bereits sein ganzes Leben der Sozialarbeit gewidmet hat und er nicht nur 10min. am Tag dafür gibt, sondern sein ganzes Leben bereits für die Befreiung von Kinderarbeitssklaven gegeben hat. „Ich bin Sozialarbeiter. Ich bekomme keinerlei Rente von der Regierung.“ Dies hörend, verspricht Naushad, dass er und alle Kinder aus dem Dorf Boshi, Distrikt Araria, Bundesstaat Bihar fortan seine Rente durch Spenden bezahlen werden.

Abschließend dürfen doch noch – es ist noch Zeit – die „Honoratioren“ kurze Schlussstatements abgeben. Die Ordensschwester Salome betont noch einmal, wie wichtig es allen war, den Kindern in den 6 Monaten des Aufenthaltes hier Selbstbewusstsein zu vermitteln. Dies durchdrang alle Aktivitäten hier im „Internat“. So war z.B. auch die Feldarbeit ein Teil des Lernprogramms. Hier neue, organische Arten des Anbaus zu erlernen oder einfach zu würdigen, wie aus einem Kilo Senf-Aussaat 100 kg Ernte wurden.

Und meine abschließende Frage an die Ehemaligen, was wir denn besser hätten machen können, findet nur eine Antwort: Längerer Aufenthalt im BVA. Die 6 Monate waren für alle die bisher schönste Zeit in ihrem Leben und sie hätten diese gerne länger erlebt.

Zur Erläuterung: Wir hatten uns damals auf 6 Monate Maximalzeit verständigt, da in dieser Zeit alle Formalien erledigt werden konnten und eine langfristige Zukunft in ihren Heimatdörfern eingeleitet werden konnte. Der Platz für Kinder sollte in ihren Familien sein und nicht im Heim.

Zum Abschluss frage ich nach den 560 anderen durch den BVA befreiten Kindern. Es waren ja insgesamt gut 630 Migrantenkindersklaven gewesen und „nur“ gut 30 (plus 10 online) waren heute hier. Einige der 630 waren aus Nepal gewesen, andere aus Bangladesh. Zu diesen besteht keinerlei Kontakt mehr. Aber was ist mit den 500 anderen, die alle aus Indien stammen?

Wir werden Anstrengungen unternehmen, weitere ausfindig zu machen, und planen für den 5. November ein größeres Treffen im Nordosten Bihars im Distrikt Saharsa (wahrscheinlich in Salkhua).

Und neben gegenseitiger Hilfe für heute Bedürftige aus Ihren Reihen schlage ich auch schon vor, zukünftig die NGO Vikas Sansthan aus Firozabad/Agra in deren Bemühen, Teppichknüpfkindern zu helfen, zu unterstützen.

Benjamin Pütter, Kinderarbeitsexperte, Vorsitzender von XertifiX Sozialprojekte e.V. und Vorstandsmitglied von Sahana Eliya e.V.

Fest

Nachtrag Anfang Mai 2025:

Inzwischen treffen sich die „Ehemaligen“ einmal im Monat online und besprechen, wie Befreiungsaktionen und die Rehabilitationsarbeit in Zukunft organisiert werden kann.

XertifiX Sozialprojekte e.V. ist die deutsche Partnerorganisation und wird hier in Deutschland gesammelte Gelder an die Gruppe in Indien weiterleiten. Über XertifiX Sozialprojekte kann man auch Mitglied der Gruppe werden, die inzwischen auch einen Namen hat:

अतीत से भविष्य की ओर - From the Past into the Future - Vergangenheit führt in die Zukunft


PS: 
Alle Ehemaligen hatten eine lange Anreise (zwischen 300 und 2.000 km) und mussten daher auch für ein bis 2 Nächte untergebracht und versorgt werden, und es steckten 5 Monate Vorbereitung in diesem Treffen. Es wäre wohl nicht zu so einem Erfolg geworden, wenn wir nicht vorher viele der Ehemaligen zu Hause aufgesucht hätten. Auch dies beinhaltete Kosten für Fahrt / Übernachtung etc.

Mich hat der ganze „Spaß“ bisher gut 500 Euro gekostet – nur 500€. Ich bin mir sicher, wenn ein Hilfswerk derartiges finanziert hätte, wäre ein hoher 5-stelliger Eurobetrag fällig gewesen.

PPS:
Es wird so oft in der Entwicklungszusammenarbeit von „Hilfe zur Selbsthilfe“ gesprochen – hier hat es geklappt!

PPPS:
„In this program, Hindus, Muslims, Sikhs and Christians all departed with the hope of meeting again with the resolve to work together for the welfare of children and humanity.“