Eine Stellungnahme unseres Mitglieds Ria Makein
Geehrte Frau Richterin, geehrter Herr Staatsanwalt, liebe SchöffInnen,
ich bin hier, weil ich die Justiz mit dem Thema „Atomwaffen“ konfrontieren will. Dabei werde ich mich nicht mit Paragrafen beschäftigen, das ist Sache der Juristen. Gerne würde ich den Staat verklagen. Aber so lasse ich mich vor Gericht bringen.
Ja, ich habe mit „Hausfriedensbruch“ bei den Atomwaffen gegen diese Atomwaffen protestiert. Die Juristen weigern sich beharrlich, das Unrecht der Atomwaffen beim Namen zu nennen und gegen die Verursacher vorzugehen. Insofern war unsere Aktion aus meiner Sicht ein „Hilfeschrei“: Hier wird mein Leben durch Kriegsvorbereitungen massiv bedroht – vor 40 Jahren schon, heute und die nächsten Jahre, wenn wir nicht aufhören (und als Steuerzahlerin bin ich leider mitschuldig daran) oder wenn es durch Kriegsbeginn akut wird. Müssen wir mit dem Widerstand warten, bis eine Seite den “roten Knopf“ gedrückt hat?
Wie ich in der ersten Instanz und auch in früheren Verfahren betont habe, bin ich keine Staatsfeindin. Ich verdanke dem Staat z.B. mein Studium zur Sozialpädagogin (durch BAFöG). Und ich will einen starken Staat, der zum Interessenausgleich zwischen Arm und Reich, Mächtigen und Abhängigen in der Lage ist und es auch durchsetzt.
Ich habe mit Protest gegen atomare Gefahren angefangen, als ich 1981 darauf aufmerksam gemacht wurde, dass wir auf einem Pulverfass leben und mit Modernisierung weiteres Mordpotential aufgebaut wurde. Ich war Kindergartenleiterin und fragte mich dann erstmals, für welche Zukunft ich diese Kinder vorbereiten sollte. Ab dann wollte ich meinen Beitrag leisten, eine Zukunft ohne atomare Gefahren für die
nächsten Generationen zu erreichen. Schon damals war genug Sprengstoff vorhanden, um jeden einzelnen Menschen 30mal zu töten, gleichzeitig fehlten aber die Ressourcen, um das Leben der Menschen besonders in den Hungerländern erträglicher zu machen.
Ich halte es auch nicht für einen Zufall, dass mir im Laufe der Jahre bei den Aktionen immer wieder mit ÄrztInnen und PädagogInnen sowie anderen Menschen besonders aus sozialen Berufen begegneten. Aber ich erinnere mich auch an Juristen, die eine eigene Blockade (damals noch ziviler Ungehorsam) vor dem Stützpunkt Mutlangen durchführten.
Ziviler Ungehorsam: ich setze ihn dem unzivilen Gehorsam entgegen, der ein „drittes Reich“ möglich gemacht hat. Solange also die Justiz nichts gegen die Rechtsbrüche der Regierungen unternimmt (Bruch des Nichtverbreitungsvertrages, Verletzung des Friedensgebotes zum Beispiel) werden sich hoffentlich mutige Bürger finden, die sich solchen Machenschaften widersetzen.
Ein Slogan der 80er Jahre war: Aufstehen und sich widersetzen. Ich fand und finde den Satz gut.
Vorbereitung auf Krieg ist immer auch eine Voraussetzung für Krieg. Ohne Waffen und Soldaten sind Kriege unmöglich! Als in den 60er Jahren die SU Atomraketen auf Kuba stationieren wollte, drohte die USA unter Kennedy mit einem Atomschlag – nach Hiroshima und Nagasaki eine äußerst glaubhafte Drohung! Die Sowjetunion zog die Stationierung zurück.
Gilt gleiches Recht für alle? Atombomben in Europa sind natürlich eine Bedrohung für Russland. Und weltweit gibt es ungeheuer viele amerikanische Militärstützpunkte, Russland hat dagegen nur wenige.
Als im Irak in den 90er Jahren Massenvernichtungswaffen behauptet wurden, begann der Krieg gegen das Land – auch mit abgereichertem Uran. In Bagdad wurde ein Schutzbunker gnadenlos zertrümmert und die Menschen pulverisiert.
Gilt gleiches Recht für alle? Bin ich nicht persönlich betroffen? Muss ich mit Protest warten, bis jemand auf den „roten Knopf“ gedrückt hat?
10km von meinem Wohnort entfernt befindet sich die NATO – Befehlszentrale Nord. Neuerdings mit einer Weltraumbeobachtungsstation (höchstwahrscheinlich Zielobjekt eines möglichen „Vorwärtsverteidigungschlages“ der Russen oder eines Computerfehlers) und ca. 20 km entfernt von meinem Haus werden demnächst die Mittelteile der neuen Jagdbomber gebaut (die sollen die Bomben „sicherer“ ans Ziel bringen) Der Bürgermeister zeigte sich begeistert. Arbeitsplätze in der Rüstung, das hatten wir doch auch schon mal. Und mit dem Export unserer guten Waffen werden weltweit neue Probleme verschärft. Etwa 40 km von mir entfernt liegen amerikanische Atombomben in Volkel, den Niederlanden. Wenn ich weiter schaue: Nahe Düren in Linnich-Glimbach wurde in den 80er Jahren ein atombombensicherer NATObunker gebaut. Während also die Bevölkerung nach einem Atombombenabwurf ausgerottet würde, „kämpfen“ die Generäle aus ihrem sicheren Unterstand weiter? Wie pervers ist doch die militärische Denke! Weil ich dagegen mit „Hausfriedensbruch“ protestiert habe, unter dem Motto: „Werft Erde zurück in die Baugrube“, leistete ich mir 10 Tage als Mahnwache im Gefängnis.
Ich sei nur mittelbar betroffen? Hohes Gericht, machen Sie es sich nicht doch etwas zu leicht? Wir sind doch mit der Hochrüstung auf dem besten Wege, den Globus in einen gigantischen Friedhof zu verwandeln – und das soll erlaubt sein?
Das ist aber noch nicht alles.
Dank „Fridays for Future“ und die „letzte Generation“ ist das Thema Klimawandel hochaktuell. Die Produktion von Kriegswaffen und Sprengmittel, der Energieverbrauch und der CO² Ausstoß bei den Panzerfahrten und den Übungsflügen sind unverantwortlich.
Als Bürgerin dieses Staates bin ich nicht bereit, die dafür Verantwortlichen in Ruhe zu lassen. In einer Demokratie bleibt das Volk – also Sie und ich – höchster Souverän und damit verantwortlich. Was nützt es der Gesellschaft, wenn ich möglichst vegan lebe, kein Auto mehr besitze, seit mehr als 20 Jahren eine Solaranlage auf dem Dach, wenn gleichzeitig das Militär die Umwelt ruiniert und asoziale Verhältnisse die Armen immer ärmer werden lässt.
Ich wiederhole: ich bin hier, weil ich mich mit zivilem Ungehorsam dem unzivilen Gehorsam der Justiz, also Ihnen zu Gehör bringen wollte.
Ich hoffe, es bringt Sie zum Nachdenken, mehr kann ich nicht erreichen,
Tun Sie Ihre Pflicht!