"Dem Frieden eine Stimme geben" - Jahrestagung 2006 zu Israel und Palästina

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Ein Jahr nach unserer Tagung am Arendsee in Sachsen-Anhalt fand die diesjährige Tagung des Versöhnungsbundes wieder im Haus Venusberg in Bonn statt. Den Tagungsunterlagen konnte man entnehmen,dass wer immer ein Zelt mitbringen könnte oder im Matratzenlager schlafen könne, dies bitte einplanen sollte. Dies hatte seinen Grund: Mit 263 angemeldeten Menschen war dies die bisher größte Jahrestagung des Versöhnungsbundes.

Gut 220 Erwachsene und Jugendliche und rund 40 Kinder fanden zur Tagung “Friedensarbeit in Israel und Palästina” vom 23. bis 28. Mai den Weg nach Bonn.

Seit Jahrzehnten ist die Region des Nahen Ostens von einer erbitterten Auseinandersetzung zerrissen, deren Gewalt in unseren Medien präsent ist. In diesem Konflikt in Israel und Palästina stoßen auch die drei abrahamitischen Religionen aufeinander, mit weltweiten Auswirkungen.

Aber von der Friedensarbeit in Israel und Palästina hören wir wenig. Ziel der Jahrestagung war es deshalb, die Stimmen des Friedens in diesem Konflikt kennen zu lernen. Für die Darstellung der aktuellen politischen Situation und den Überblick über die Friedensarbeit in Israel und Palästina konnten ReferentInnen gewonnen werden, die sich zum Teil seit langem für eine Versöhnung zwischen Israelis und PalästinenserInnen einsetzen: Faten Mukarker, palästinensische Christin aus Beit Jala bei Bethlehem, Jeremy Milgrom, Rabbi und Friedensaktivist aus Jerusalem sowie Uri Ya‘ackobi, Kriegsdienstverweigerer aus Israel. Die aus Israel stammenden Gäste waren zuvor vom 10. - 24. Mai mit einer Reihe von Vortragsveranstaltungen durch Deutschland gereist.

Am Donnerstag folgte den ersten beiden Teilen der ordentlichen Mitgliederversammlung (Berichte des Vorstandes, der Referenten, der Geschäftsstelle sowie der Finanzbericht 2005 und die Entlastung des Vorstandes) die Eröffnung der Tagung durch unseren Vorsitzenden Ullrich Hahn. Damit die “neuen” und die “alten” TeilnehmerInnen der Jahrestagung sich über ihre Erwartungen und Erfahrungen austauschen und einander kennenlernen konnten, trafen sie sich in den “Mosaikgruppen”.

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Den diesjährigen Vortrag am Donnerstagabend hielt Faten Mukarker zum Thema “Friedensarbeit in Palästina” wobei sie insbesondere auf die Lage der palästinensischen Gebiete und Städte im Westjordanland einging. Diese leiden massiv unter der errichteten “Teilungsmauer”, die ohne Rücksicht auf bestehende Ortschaften, genutzte Felder oder benachbarte Dörfer von der israelischen Besatzung errichtet werden. Was als Sperrmauer gegen Terrorismus gedacht war, entpuppt sich als geistige Klimmwand, durch die der Widerstand und die Ohnmacht vor allem der überwiegend jungen Palästinensern noch einmal emporwächst.

Am Freitagmorgen gab Rabbi Jeremy Milgrom im Plenum einen Einblick in die “Friedensarbeit in Israel”. Jeremy Milgrom gehört zu der kleinen Gruppe Menschen, die als sichere und dauerhafte staatliche Form die “Ein-Staaten-Lösung” sieht; aber eben nicht das “Großisrael” und nicht das arabische Palästina von vor 1945, sondern eben ein Israel-Palästina, in dem die Menschen unabhängig ihrer Abstammung oder Religion, die gleichen Rechte und den gleichen Schutz geniessen. So zielen Jeremy Milgroms Friedensaktivitäten eben auch alle in diese Richtung: Der Gleichberechtigung und der Versöhnung zwischen Palästinensern und Israelis.

Der Freitag gehörte bis in den Nachmittag den 11 Arbeitsgruppen, um Gehörtes zu vertiefen und weitere Aspekte des Konfliktes und des Zusammenlebens zu betrachten. Durch eine kleine Programmumstellung konnte bereits an diesem Nachmittag Clemens Ronnefeldt in einem Plenumsvortrag “Aktuelles aus dem Iran” über seine kürzliche Reise in den Iran berichten. Der Freitagabend war den Mitgliedern des Versöhnungsbundes vorbehalten, die an vielen Stellen für die Sache der Gewaltfreiheit tätig sind und davon berichten wollten. Bei “Aktuelles aus der Friedensarbeit” war von diesen vielfältigen Tätigkeiten zu erfahren.

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Ullrich Hahn auf dem Weg zur Innenstadt

Der Samstagvormittag war vorgesehen für eine “Symbolische Aktion der Solidarität” mit einer beweglichen Attrappe der “Seperationsmauer” und einem Straßentheater. In der Nähe des Bonner Hauptbahnhofes, am Kreuzungsweg mehrerer Bus- und Straßenbahnlinien und einem Hauptfußweg in die Bonner Innenstadt fand diese Aktion mit einer sehr großen Zahl von TagungsteilnehmerInnen statt. Neben den Reden von Faten Mukarker und Jeremy Milgrom, bleibt vor allem die von einer Reihe von Jugendlichen – unter Anleitung von Nikolaus Huhn – am Freitag erstellte vier Meter hohe Mauerattrappe nachhaltig in Erinnerung. Eindrücklich und berührend waren die Theaterszenen, die eine andere Gruppe von Jugendlichen tags zuvor unter Begleitung von Stefan König dazu entwickelt hatten.

Der Nachmittag stand dann wieder für die Arbeit in Gruppen zur Verfügung, deren thematische Inhalte den Versöhnungsbund fortlaufend bewegen (Jüdische Friedenstheologie, Indischer Subkontinent, Initiativen für Israel/Palästina, Friedensarbeit in Zentralafrika, Kindererziehung, Anarchismus/ Historische Alterantiven zum Staat Israel, Modernes Ehrenamt, Gewaltfreiheitstraining.

Der traditionelle Gottesdienst in der schlichten Kirche, der Bunte Abend mit Klezmermusik der “Desfinados”, wie auch der Symbiose aus orientalischen Leckereien und ökologischen Käsehappen aus dem Schwarzwald sowie popige Tanzmusik des Nahen Ostens zu später Stunde ließen die Tagung wortwörtlich ausklingen.

Die Wahlen des Vorsitzenden und des Vorstandes standen bei der Mitgliederversammlung am Sonntag im Mittelpunkt. Ullrich Hahn wurde mit nahezu allen Stimmen der anwesenden Mitglieder zum Vorsitzenden wiedergewählt. Den neu gewählten Vorstand bilden Magdalene Ache-Klemm, Luzia Gündner, Christiane Lohse, Davorka Lovrekovic, Hans-Hartwig Lenzner, Dieter Hemminger sowie Annemarie Lenzner und Sven Schmid, die gemeinsam einen Sitz im Vorstand wahrnehmen.

Drei Beschlüsse der Mitgliederversammlung seien hier erwähnt: Der Finanzplan 2007 – der vor allem durch den finanziellen Einsatz für die Arbeitsplätze recht eng ist – wurde angenommen. Ein Brief an das Auswärtige Amt von Seiten des Versöhnungsbundes mit der Aufforderung gegenüber der israelische Regierung für einen Stopp des Mauerbaues einzutreten - unter Hinweis auf das negative Gutachten des Internationalen Gerichtshofes (IGH) zur “Seperationsmauer” - wurde von Einzelnen für bedenklich gehalten, vom Großteil der Anwesenden aber unterstützt.

Für die Jahrestagung 2007 erhielt der Vorstand den Arbeitsauftrag aus der Bandbreite der Themenvorschläge ( u.a. “Frieden mit der Natur - Von Energieverschwendung zu erneuerbaren Energien”) wieder eine so erfolgreiche Jahrestagung wie in diesem Jahr vorzubereiten.

Der besondere Dank richtete sich zum Schluss an die ausgeschiedenen Vorstandsmitglieder Anka Schneider, Birgit Gündner, Gottfried Arlt und Matthias Engelke sowie Volker Grotefeld als Schatzmeister und Mitglied des geschäftsführenden Vorstandes. Ebenso ging ein Dank an die jungen Frauen der Kinderbetreuung sowie an den Geschäftsführer Holger Klee, Maria Elisabeth Scharinger und Katie Yoder für die exzellente, organisatorische Vorbereitung dieser Tagung.