Die diesjährige Tagung des Versöhnungsbundes fand wieder einmal im Haus Venusberg in Bonn statt. Gut 200 Erwachsene und Jugendliche und rund 40 Kinder fanden zur Tagung “Kampf um Energie-Ressourcen? Verteilungsgerechtigkeit statt Militärkonzepte!” vom 17. bis 20. Mai den Weg nach Bonn.
Als die größte Bedrohung des 21. Jahrhunderts wird in Studien zum einen der Kampf um knappe Ressourcen und zum anderen der Klimawandel genannt. Den Energiehunger und den steigenden Wohlstandskonsum in den Schwellenländern erleben die Industriestaaten als Bedrohung. Gleichzeitig spitzt sich die materielle Benachteiligung von immer mehr Menschen zu. Auf diese ökologischen und sozioökonomischen Herausforderungen antwortet die “westliche Welt” mit Sicherheitskonzepten, die die Wirtschaftsinteressen zur Zielvorgabe militärischer Planungen machen. Friedens- und umweltpolitische Maßnahmen wie etwa die Überwindung der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern und der Kernenergie, ein Wandel hin zum nachhaltigen Lebensstil sowie die Gestaltung einer verteilungsgerechten und friedensfähigen Weltwirtschaft werden hingegen vernachlässigt.
Daher sollte auf dieser Jahrestagung den Zusammenhängen zwischen Versorgungssicherheit und den militärischen oder auch friedenspolitischen Strategien nachgegangen werden. Aber auch die Konsequenzen angesichts des Klimawandels für die weltwirtschaftlichen Strukturen wie für das eigene Leben sollten aufgezeigt werden.
Am Donnerstag folgte dem ersten Teil der ordentlichen Mitgliederversammlung (Berichte des Vorstandes, der Referenten, der Geschäftsstelle sowie der Finanzbericht 2006 und die Entlastung des Vorstandes) die Eröffnung der Tagung durch unseren Vorsitzenden Ullrich Hahn. Hierbei wurden auch die internationalen Gäste begrüßt, von denen zumindest David und Joyce Mumford (Schottland), Marion Schreiber (Österreich) und Anna Turkulova (Ukraine) an dieser Stelle zu nennen wären. Damit die “neuen” und die “alten” TeilnehmerInnen der Jahrestagung sich über ihre Erwartungen und Erfahrungen austauschen und einander kennenlernen konnten, trafen sie sich in den kleinen “Mosaikgruppen”.
Den diesjährigen Vortrag am Donnerstagabend hielt Andreas Zumach, internationaler Korrespondent für “die tageszeitung”, zu “Zusammenhängen zwischen Globaler Energiekrise, Politik und Militärinterventionen”. Insbesondere der Punkt, dass es nicht erst zu Eskalationen kommen wird, wenn kein Öl mehr vorhanden ist, sondern schon ab dem früheren Zeitpunkt der geringer werdenden Fördermengen (dem “Peak Oil”), zeigte den ZuhörerInnen, wie bald schon die Konflikte der Energiekrise in unser Leben drängen werden.
Der Donnerstagabend war auch die Zeit in der sich - wie bei der letzten Jahrestagung - die Jugendlichen im Jugendforum unter Leitung von Annemarie Lenzner und Sven Schmid, beides Mitglieder des VB-Vorstandes, trafen. Dort besprachen die fast 30 Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter von 14 bis 26 Jahren ihre Ideen, Wünsche und Schwerpunkte zukünftiger Mitarbeit im Versöhnungsbund und bei den Jahrestagungen.
Am Freitagmorgen gab zuerst Christiane Lohse, Mitarbeiterin des Umweltbundesamtes und Mitglied im VB-Vorstand, eine Kurzeinführung zu den “Konsequenzen des Klimawandels” unter dem Leitgedanken: “Die knappeste Ressource ist nicht das Öl, das Gas oder das Uran, sondern die uns noch verbleibende Zeit für einen Energieträgerwechsel: 20 Jahre.” Danach legte Franz-Josef Radermacher in einem kurzweiligen Vortrag seine Gedanken zur “Gerechten und friedensfähigen Gestaltung einer künftigen Weltwirtschaft” dar. Mit dem leicht provokanten Einstieg, dass mit den persönlichen “Herz Jesu bewegten” Einsparungen an Energie und Treibhausgasen das Klima nicht zu retten sei, sondern mit weltweit gültigen Absprachen zwischen Industrie- und Schwellenländern, forderte er auch Widerspruch heraus. Dass aber zur Einhaltung dieser Absprachen die Reduzierung der Pro-Kopf-Menge bei uns sehr wohl nötig ist, machten seine weiteren Ausführungen klar: “Bis 2050 ist eine Reduzierung um 60% der jetzigen Treibhausgase nötig, um den Klimawandel zu stoppen.” Besonders wichtig waren ihm noch zwei Initiativen: Der “Global Marshall Plan” der durch eine weltweite öko-soziale Marktwirtschaft ein Gleichgewicht zwischen Wirtschaft, Ökologie und Menschenrechten herstellen will (www.globalmarshallplan.org); sowie die Pflanzaktion von und für Schüler und Jugendliche für “Eine Milliarde Bäume” zur Rettung des Klimas (www.plant-for-the-planet.org).
Der Freitag gehörte bis in den Nachmittag den 12 Arbeitsgruppen, um Gehörtes zu vertiefen und weitere Aspekte der Verteilungsgerechtigkeit der Energieressourcen und des Klimawandels zu betrachten. (Eingereichte Protokolle der Arbeitsgruppen sind in der VERSÖHNUNG dokumentiert.) Der Freitagabend war den Mitgliedern des Versöhnungsbundes vorbehalten, die an vielen Stellen für die Sache der Gewaltfreiheit tätig sind und davon berichten wollten.
Der Samstagvormittag war vorgesehen für eine “Symbolische Aktion” mit der großen, beweglichen Attrappe einer quietschenden Ölpumpe auf dem Bonner Münsterplatz, dem zentralen Platz in die Bonner Innenstadt. Diese öffentliche Aktion fand mit einer großen Zahl von TagungsteilnehmerInnen statt. Neben der nicht zu übersehenden Ölpumpe - erdacht, erbaut und im Zug(!) nach Bonn transportiert von Nikolaus Huhn - blieben PassantInnen vor allem wegen der Theaterszenen stehen, die eine andere Gruppe von Jugendlichen tags zuvor unter Begleitung von Stefan König entwickelt hatte.
Der Nachmittag stand dann wieder für die Arbeit in Gruppen zur Verfügung, deren thematische Inhalte den Versöhnungsbund fortlaufend bewegen (Friedenstheologie, Indischer Subkontinent, Initiativen für Israel/Palästina, Friedensarbeit in Afrika, Kindererziehung, Atomwaffen-Abschaffung, Gewaltfreie Kommunikation sowie Friedensaktivitäten von RentnerInnen und Freie Software.
Ein traditioneller Wort-Gottesdienst in der schlichten Kirche, der Bunte Abend mit Darbietungen einiger TeilnehmerInnen und dem Auftritt des “Jahrestagungsorchesters”, verfeinert mit ökologischen Käsehappen aus dem Schwarzwald sowie popige Tanzmusik zu später Stunde, ließen die Tagung wortwörtlich ausklingen.
Drei Beschlüsse des zweiten Teiles der Mitgliederversammlung von Sonntagvormittag seien hier noch erwähnt: Der Finanzplan 2007 wurde angenommen. Durch finanziell wirksame Veränderungen bei den Arbeitsplätzen – vor allem durch das Ende des Arbeitsvertrages von Uli Sonn – verringert sich das strukurelle Defizit im Vergleich zu den Vorjahren.
Von den Anwesenden wurde ein Brief an die Bundeskanzlerin unterstützt, mit der Aufforderung sie möge sich aus Anlass des G-8-Treffens in Heiligendamm im Juni gegenüber ihren internationalen Regierungskollegen den “Global Marshall Plan” thematisieren und focieren.
Für die Jahrestagung 2008 erhielt der Vorstand den Arbeitsauftrag aus der Bandbreite der Themenvorschläge (u.a. “Armutsbekämpfung” sowie “Flüchtlinge und Europa”) wieder eine so erfolgreiche Jahrestagung wie in diesem Jahr vorzubereiten.
Der besondere Dank richtete sich zum Schluss an die jungen Frauen (und den Mann) der Kinderbetreuung sowie an den Geschäftsführer Holger Klee und Maria Elisabeth Scharinger aus der Geschäftsstelle für die exzellente, organisatorische Vorbereitung dieser Tagung.