10. Atomwaffen-Nichtverbreitungsvertrags-Konferenz (NVV) in New York

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Internationale Arbeit für die Abschaffung von Atomwaffen - NVV 2022

Marion Küpker berichtet:

Vom 1. bis 26. August wurden in der UN in der ersten Woche die Berichte der einzelnen Länder vorgetragen.

Am 2. August hielt Außenministerin Baerbock ihre Rede, in der sie mit keiner Silbe  auf die Verletzungen des NVV/NPT durch Deutschland oder andere westliche Atommächte oder NATO-Staaten einging.

Kein Wort über die vertragsbrüchige nukleare Teilhabe, die laut IALANA (International Lawyers Against Nuclear Arms) gegen Art. I und II des NVV verstößt, da der Vertrag die unmittelbare sowie die mittelbare Weitergabe/Annahme der Verfügungsgewalt von Atomwaffen – also die Mitwirkung – verbietet. (www.un.org/disarmament/WMD/Nuclear/NPTtext.shtml)

Jugenddelegationen aus Germany, Foto M.K.
Jugenddelegationen aus Germany, Foto M.K.

Kein Wort über die nukleare Aufrüstung durch die geplante Neustationierung der B61-12 Atombomben aus den USA, die gegen den Art. VI (Weiterverbreitung von Atomwaffen gegenüber der Verpflichtung zur Abrüstung) verstößt. Stattdessen wurden namentlich alleinig China, Nordkorea, Iran und Russland von ihr verurteilt. Nachdem China einen Tag später in der Rede die Nukleare Teilhabe der NATO in Europa kritisierte (was notwendig ist, damit daraus kein Gewohnheitsrecht wird), reichte Annalena Baerbock am 4. August eine schriftliche Erwiderung in der UN Generalversammlung ein.
(siehe: https://reachingcriticalwill.org/images/documents/Disarmament-fora/npt/…)

Sie erklärte darin, dass die Nukleare Teilhabe nicht gegen den Vertrag verstoßen würde, weil (sinngemäß) die nukleare Teilhabe schon vor der Unterzeichnung des Vertrages bestanden habe. Dieser Rechtsauffassung wird allerdings von Internationalen RechtsexpertInnen widersprochen, zumal Deutschland und die USA die "Vienna Convention on the Law of Treatys from 1969" unterzeichnet haben. Die "Wiener Konvention über die Gesetze von Verträgen" behandelt die "Generellen Regeln der Interpretation von Verträgen", die im Art.31.1 festgelegt sind: https://legal.un.org/ilc/texts/instruments/english/conventions/1_1_1969…

Neben dem medienwirksamen Fotoshooting mit den drei Jugenddelegationen aus Deutschland (DFG-VK, Mutlangen und ICAN) war der einzige kleine Lichtblick in Baerbocks Rede: "... ein neues Rüstungskontroll-Abkommen zu verhandeln, um den New Start-Vertrag zu ersetzen".

Fotos Marion Küpker

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Parallel demonstrierten und blockierten am 2. August New Yorker Friedensorganisationen an der U.S. Mission to the UN für nukleare Abrüstung. Hierfür wurde ich in einem Interview von Owen Schacht in The Independent (New York) zitiert:

https://indypendent.org/2022/08/protesters-demand-nuclear-disarmament-o…

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Am 3. August refererierte ich im NVV-Sideevent gemeinsam mit Joseph Gerson (U.S. Campaign for Peace, Disarmament and Common Security), Andreas Günther (Rosa Luxemberg Stiftung New York und Reiner Braun (International Peace Bureau zum Thema Nuclear Weapons in Europe. Zu den Sideevents kommen NRO- und Staats- VertreterInnen, um detaillierte Informationen aus internationalen Kampagnen zu bekommen.

Am 4. August nahm ich am Sideevent Denuclearization of the Korean Peninsula von SPARK (Solidarity for Peace And Reunification) der südkoreanischen Friedensbewegung teil. Hier überaschte mich, das Südkorea 20 weitere F-35A-Kampfflugzeuge (zusätzlich zu den gerade gekauften 40) von den USA anschafft. Der neue südkoreanische Präsident Yoon Suk-yeol, der konservativen People Power Party (PPP), ehemaliger Generalstaatsanwalt des Landes, sagte bereits vor der Wahl am 22. September 2021 zur Presse, dass er die USA für die Verlegung taktischer US-Atomwaffen nach Südkorea auffordern und eine nukleare Teilhabe mit Südkorea vereinbaren werde. Er wolle sich mit den USA über das Verfahren beraten, mit dem in Notsituationen auf der koreanischen Halbinsel strategische US-Atomwaffen, wie z. B. Interkontinentalraketen, eingesetzt werden können. SPARK erklärte, dass Nordkorea Sicherheitsgarantien und die Aufgabe des U.S. amerikanischen nuklearen Schutzschildes fordere, um sein Atomwaffenprogram aufzugeben. SPARK fordert Verhandlungen hierzu und keine weitere Eskalation mit dem Ziel der Wiedervereinigung des Landes. https://en.yna.co.kr/view/AEN20210922005300320

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Sideevent Nuclear Weapons in Europe

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Sideevent Denuclearisation & Paece Korean Peninsula
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SEAN MAC PEACE PRIZE an Elayne Whyte Gomez

NVV Bild12Am 4. August wurde der costarikanischen früheren Botschafterin und "Permanent Representative of Costa Rica to the United Nations in Geneva"  durch das Internationale Peace Bureau (IPB) der Sean MacBride Peace Prize des Jahres 2019 überreicht.

Elaine hatte in der UN die Verhandlungen zum Verbotsvertrag geleitet und ist daher maßgeblich für sein Zustandekommen mitverantwortlich. Hierfür bekam sie auch von mir Blumen.

Zu den Rednern der Zeremonie gehörten Alexander Kmennt vom österreichischen Außenministerium, Beatrice Fihn von ICAN (Video), Lisa Clark und Joseph Gerson von IPB und Kunihiko Sakuma, Vorsitzender von Hiroshima Hidankyo.

Zudem wurde Elaine zum International Gender Champion 2022 ausgezeichnet: https://genderchampions.com/champions/elayne-whyte-gomez

Am 6. August waren John LaForge und ich zu den Hiroshima-Protesten von Women against Military Madness in Minneapolis eingeladen. Unsere B61-12 Atombomben-Attrappe begleitete uns auch hier.NVV Bild4NVV Bild13

Da die Verhandlungen der NVV-Konferenz in den darauf folgenden Wochen meist unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, konnte ich mir nur die Berichte von reaching critical will und den Entwurf des Abschlussdokumentes, sowie das eigentliche Abschlussdokument durchlesen.

NVV-Verhandlungen gescheitert

Laut offiziellen Medien soll die russische Delegation das Abschlussdokument einseitig geblockt haben, da sie das Abschlussdokument als politisch einseitig vereinnahmt sieht. Demgegenüber haben laut der Recherche von Rae Acheson, die insgesamt zehn NPT-Review-Berichte über die NVV-Konferenzen schrieb (https://reachingcriticalwill.org/disarmament-fora/npt/2022/), die westlichen Atommächte bereits bei der Erstellung des Entwurfs für das Abschlussdokument klargestellt, dass auch dieses Jahr keine Kritik an ihrer nuklearen Aufrüstung geduldet wird.

So "RUFT" das Abschlussdokument die Atomwaffenstaaten allgemein nur dazu auf, ihren Verpflichtungen nach Abrüstung etc. zukünftig nachzukommen. Es verurteilt aber nicht ihre jahrzehntelange Weigerung, den NVV-Vertrag zu erfüllen, bzw. diesen erfüllen zu "MÜSSEN". Im Gegensatz dazu wird z.B. bei den zu kritisierenden Nicht-Atomwaffen- oder Nicht-NVV- Staaten Iran und Nord-Korea eine wesentlich härtere Gangart in der Wortwahl getroffen, was sie erfüllen "MÜSSEN" etc.

Der französische Delegierte wollte z.B. mit keinem Wort den Verbotsvertrag im Abschlussdokument erwähnt sehen. Der USA-Delegierte behauptete, dass sich ihre Atomwaffenpolitik im Einklang mit dem Völkerrecht und dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofes befinden würde. Die Nukleare Abschreckung sei für das westliche Bündnis legal, aber nicht für die Länder China, Russland und Nordkorea etc.

Alice Slater von der Nuclear Age Peace Foundation und Mitglied im Koordinierungskomitee der US-Organisation World Beyond War schrieb: "Russland und China drängen seit Jahren auf Verträge zum Verbot von Waffen im Weltraum und von Cyberwar, was die USA wiederholt ablehnen und sogar die Diskussion über den Entwurf eines Weltraumverbotsvertrags blockieren, den sie 2008 und 2014 vorgeschlagen hatten. China und Russland sind nicht bereit, über die Abschaffung von Atomwaffen zu diskutieren, ohne die "strategische Stabilität" zu schützen, bei der keine Nation die militärische Nutzung des Weltraums dominiert, was die USA immer wieder als ihre Politik betonen! Unsere Friedensbewegung muss Forderungen nach Frieden im Weltraum und Cyberdiplomatie einbeziehen, wenn wir Russland und China jemals dazu bringen können, dem AVV zuzustimmen." Das Nichtzustandekommen des Abschlussdokumentes ist zwar eine Enttäuschung, aber auch ein Zeichen für den erfolgreicheren Weg des Atomwaffen-Verbotsvertrages, der einen Aktionsplan verabschiedet hat. Die AVV-Folgekonferenz ist bereits im November kommenden Jahres (2023) in der UN in New York.

Atomenergie als Klimaretter?!

Beim Lesen des 35-seitigen NVV-Abschluss-Dokumentes wird deutlich, dass es sich hier eher um ein reines Werbedokument für "Atoms for Peace" durch die IAEO (Internationale Atomaufsichtsorganisation) handelt, die die Nicht-Atomwaffenstaaten auf die Rettung der Welt und des Klimas mit ziviler Atomtechnologie festnageln will. Die Hälfte der Paragrafen befassen sich damit, die Wissenschaft der Atomtechnologie auszubauen, weitere Staaten zu ermutigen Atomtechnologie zu erwerben, sie darin umfassend zu unterstützen und vertraglich zu verpflichten und einzuschwören. Dabei ist der Einmarsch Russlands in die Ukraine und die gefährliche Besetzung von Kernkraftwerken aktuell ein sehr deutliches Beispiel, wohin die Gefahren der Nukleartechnologie auch in Kriegen führen können.

In der EU-Taxonomie wurde die Atomenergie gerade als nachhaltige Energieform aufgenommen, und die IAEO spricht offen von "Mit Atomstrom gegen den Klimawandel", bzw. die USA von kleineren mobilen Atomreaktoren. Auch wenn Deutschland sich hier vorerst bedeckt gehalten hat: Es ist Mitglied einer Gruppe von Staaten, die sich unter dem Namen "Non-Proliferation and Disarmament Initiative" zusammengeschlossen haben. Für die Vorbereitungskonferenz zur NVV (NPT PrepCom) im Jahr 2019 erarbeiteten sie ein Arbeitspapier mit dem Titel "Förderung der friedlichen Nutzung der Kerntechnik: ein Instrument zur Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung" (aus dem Engl. übersetzt).

Unsere Kampagnensprecherin Regina Hagen schreibt dazu: "Deutschland, das selbst den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen hat, reiht sich damit ein in die Zahl der Länder – darunter vieler Blockfreie, aber auch die USA und die Internationale Atomenergieorganisation (die allerdings just dafür gegründet wurde), Atomenergie und nukleare Technologien zur vermeintlich umweltfreundlichen und zukunftsweisenden Lösung für zahlreiche (Umwelt-) Probleme hochzujubeln." (http://reachingcriticalwill.org/images/documents/Disarmament-fora/npt/p…)

Dazu passt dann auch die Aussage Baerbocks beim NVV, dass das IAEO-Sicherungssystem die größte Errungenschaft im Rahmen des NVV sei und wir es deshalb stärken müssen. Parallel werden gerade die Laufzeiten der letzten drei auslaufenden AKW in Deutschland verlängert, wofür auch hier Russland die alleinige Verantwortung zugeschoben wird.

International Renewable Energy Agency IRENA

Während der NVV auf Atomenergie setzt, wurde bereits im Jahr 2009 IRENA von 75 Staaten gegründet. IRENA unterhält (zusätzlich zu Bonn) ein Büro des Ständigen Beobachters bei den Vereinigten Nationen in New York und hat ihre Zentrale in Abu Dhabi (www.irena.org). Um den weltweiten Einsatz erneuerbarer Energien zu erzielen, bekundeten die Regierungen ihr Engagement für einen Wandel des globalen Energieparadigmas. Sie entwickelten einen Fahrplan zur Verdopplung der weltweiten Nutzung erneuerbarer Energien bis 2030. Es lohnt sich, die IRENA Webseite anzusehen (hier ein Ausschnitt):

"Die Internationale Agentur für erneuerbare Energien (IRENA) ist eine zwischenstaatliche Organisation, die Länder beim Übergang zu einer nachhaltigen Energiezukunft unterstützt und als wichtigste Plattform für die internationale Zusammenarbeit, als Kompetenzzentrum und als Wissensspeicher für Politik, Technologie, Ressourcen und Finanzen im Bereich erneuerbare Energien dient. IRENA fördert die breite Einführung und nachhaltige Nutzung aller Formen erneuerbarer Energien, einschließlich Bioenergie, Geothermie, Wasserkraft, Meeres-, Solar- und Windenergie, im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung, den Zugang zu Energie, Energiesicherheit sowie kohlenstoffarmes Wirtschaftswachstum und Wohlstand" (www.irena.org/aboutirena).

Mein Fazit: Nukleare Abrüstung geht nur gemeinsam mit allen Atommächten und ohne Atomenergie!