"Mächtig was los" - Bericht über die Jahrestagung 2002

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Wer im letzten Jahr schon dachte, dass die - inzwischen traditionell - in der Tagungsstätte Haus Venusberg in Bonn stattfindende Jahrestagung des Versöhnungsbundes mit 200 teilnehmenden Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern, die Grösste der letzten 20 Jahre war, musste seine Meinung zur diesjährigen Jahrestagung - erfreulicherweise - gleich wieder über den Haufen werfen.

Dieses Mal fanden gut 210 Erwachsene und Jugendliche und rund 40 Kinder zur Tagung "MACHT - persönlich, wirtschaftlich, politisch - von der Fremdbestimmung zur Selbstbestimmung" vom 9. bis 12. Mai den Weg nach Bonn. War im Jahr zuvor die Jahrestagung von mehrtägigen Workshops zur Überwindung von Gewalt geprägt, so kehrte diese Tagung zum traditionellen Ablauf mit zwei Vorträgen und dem Freitag als Tag der Arbeitsgruppen zurück. Dabei näherten wir uns von von mehreren Seiten der Frage, was Macht sei, und wenn es verdeckte Gewalt, verdeckter Zwang ist, ob Gewaltlosigkeit dann nicht auch Machtverzicht gebiete. Die Tagung wollte auf verschiedenen Ebenen helfen Phänomene der Macht und der Ohnmacht in der Gesellschaft im politischen, wirtschaftlichen und persönlichen Leben wahrzunehmen. Und im Streben nach Überwindung von Unrecht und Gewalt eigene, der Gewaltlosigkeit verpflichtete Ausdrucks- und Handlungsformen (mit Macht oder Einfluss) zu finden, die einerseits wirksam sind und doch die Selbstbestimmung aller achten. Diese Verbindung schafften sowohl Dorothee Sölle als auch Willi Haller in ihren Vorträgen, aber dazu später.

Den ersten beiden Teilen der ordentlichen Mitgliederversammlung (Berichte des Vorstandes, der Referenten, der Geschäftsstelle sowie der Finanzbericht 2001 und die Entlastung des Vorstandes) folgte am Donnerstag die Eröffnung der Tagung durch unseren Vorsitzenden Ullrich Hahn. Damit die "neuen" und die "alten" TeilnehmerInnen der Jahrestagung sich über ihre Erwartungen und Erfahrungen austauschen und einander kennenlernen konnten, trafen sie sich in den "Mosaikgruppen".

Den diesjährigen Vortrag am Donnerstagabend hielt Dorothee Sölle. Den Titel "Eingeschlafen im eigenen Gefängnis...- Mystik als Weg zur Befreiung" deutete sie in ihrem Vortrag mit Blick auf unsere persönlichen, gesellschaftlichen und politischen Lebensumstände. Die recht verstandene Mystik ist für sie ein Weg, die lähmende Individualisierung unserer Zeit zu durchbrechen, sich seiner tiefen Beziehung zu Gott, seinen Mitmenschen und Mitgeschöpfen bewusst zu werden, wobei aus der dadurch gewonnenen Einsicht neue Impulse für ein wirklich selbstbestimmtes Leben erwachsen, das in Einheit mit seinen Wurzeln und Zielen steht.

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 Am Freitagmorgen konkretisierte Willi Haller in seinem Vortrag "Macht in Politik und Wirtschaft" die Umsetzung dieser Einheit von Wurzel und Zielen. Gerade im wirtschaftlichen Bereich heißt dies nicht Wachstum ohne Grenzen als Ziel, sondern ausgehend von den Wurzeln das Ziel der Bedarfsdeckung, des Auskommens mit dem Ausreichenden.

Der Freitag gehörte danach ganz den insgesamt 11 Arbeitsgruppen. Der Freitagabend war - nach dem gemeinsamen Ausklang mit unseren Kindern - den Mitgliedern des Versöhnungsbundes vorbehalten, die an vielen Stellen für die Sache der Gewaltfreiheit tätig sind und davon berichten wollten. Bei dem Teil "Aktuelles aus der Friedensarbeit" war von diesen vielfältigen Tätigkeiten zu erfahren. Alle vorgestellten Aktionsbereiche hier zu wiederholen, würde den Rahmen dieses Berichts sprengen. Stellvertretend seien hier aber unsere weitgereisten Freunde genannt. Pete Hämmerle vom österreichischen Versöhnungsbund stellte die Schwerpunkte (Österreichischer Friedensdienst -ÖFD- und die Dekade zur Überwindung von Gewalt -s. auch VERSÖHNUNG 1-2002, S. 17-) seines Bundes dar. Eduard Baba aus Kamerun berichtete von der Vermittlung von Methoden zur Konfliktbearbeitung an Jugendliche in Schulen seines Landes. Kamerun mit seinen 240 ethnischen Gruppen hat ein latentes Konfliktpotential.

Zhenya Alexeeva, von unserer befreundeten russischen Organisation GOLUBKA, sorgte an diesem Abend für musikalische Pausenstücke: Sie sang zur Gitarre einige anrührende russische Lieder.

Der Samstagvormittag gehörte noch einmal den Arbeitsgruppen zum Abschluss und zur Auswertung. Anschließend berichteten in 30-Minuten-Beiträgen Clemens Ronnefeldt über die Friedenspilgerfahrt nach Israel/Palästina, Volker Grotefeld über die Rundreise des Versöhnungsbundes zu GOLUBKA/Moskau und anderen russischen Organisationen und Orten und Hans A. de Boer u.a. über Treffen im Irak. Um Körper und Seele etwas Abwechslung zu bieten, waren Jung und Alt am frühen Nachmittag zu Bewegungs- und Gruppenspielen auf der Wiese im Park aufgerufen, - das Wetter hielt und so bereitete diese Stunde allen TeilnehmerInnen viel Spaß.

Der Nachmittag stand dann wieder für die Arbeit in Gruppen zur Verfügung, deren thematische Inhalte den Versöhnungsbund fortlaufend bewegen (Aktuelle Friedensarbeit, Freiwilligendienste, Religiöser Anarchismus, Projekt Einfühlsam Zuhören, Indischer Subkontinent, Kongo-Staaten, Begegnung mit dem Islam, Friedensdienst in Myanmar/Burma, Zukunft des VB international/IFOR).

Der gemeinsame Gottesdienst für alle in der schlichten Kirche, der Bunte Abend mit dem Liedermacher Pascal Gentner sowie die die eher popig-rockige "Dancing-Party" ließen die Tagung wortwörtlich ausklingen.

Die Wahlen des Vorsitzenden und des Vorstandes standen bei der Mitgliederversammlung am Sonntag im Mittelpunkt. Ullrich Hahn wurde mit nahezu allen Stimmen zum Vorsitzenden wiedergewählt. Den neugewählten Vorstand bilden Anka Schneider, Gisela Behrends/Birgit Gündner, Volker Grotefeld, Gottfried Arlt, Hans-Hartwig Lenzner, Hanno Paul und Matthias Engelke. - Wie schon am Freitagabend verschaffte Zhenya Alexeeva dem Plenum Minuten der Ruhe mit ihren russischen Liedern. Über die Reihe der Beschlüsse zu Anträgen und Anregungen und deren Umsetzung werden wir in den nächsten Ausgaben der VERSÖHNUNG berichten. Zwei Punkte seien hier aber schon erwähnt: Der Finanzplan 2002 - der durch den finanziellen Einsatz für die geschaffenen Arbeitsplätze recht eng ist - wurde angenommen. Ein inhaltlicher Beschluss betrifft die Jahrestagung 2003. Einem von Andreas Schillo und Heinz Rothenpieler gestellten Antrag, die Tagung 2003 unter das Thema "UNSERE SOLIDARITÄT MIT AFRIKA" zu stellen, wurde mit mit großer Mehrheit zugestimmt unter der Bedingung, dass der Vorstand aus zwingenden Gründen davon abweichen kann.

Der besondere Dank unseres Vorsitzenden richtete sich zum Schluss an die ausscheidenden Vorstandsmitglieder Beate Ronnefeldt (nach 5 Jahren), Thomas Nauerth und Markus Heper (6 Jahre) sowie Eric Bachman (2 Jahre). Ebenso ging ein Dank an die jungen Frauen und Männer der Kinderbetreuung sowie Margit Kliesch für deren Koordination, an Holger Klee als neuen Geschäftsführer stellvertretend für die Geschäftsstelle für die organisatorische und Beate Ronnefeldt, Anka Schneider und Hanno Paul vom Vorstand für die begleitende Vorbereitung dieser Tagung.

Ein Aufruf der Mitgliederversammlung zur Rettung der Soldatenseelsorge findet sich im Anhang.